SCHWERPUNKTTHEMA

Sorgen Sie als Betriebsrat für klare Abläufe bei sexueller Belästigung

War es „nur“ ein derber Witz oder bereits sexuelle Belästigung? Was tun Sie als Betriebsrat, wenn sich eine betroffene Person an Sie wendet? Ohne klare Regelungen und ausreichende Vorbereitung drohen rechtlich und menschlich schwerwiegende Fehlentscheidungen. Deshalb ist es wichtig, dass in Ihrem Betrieb verbindliche Verfahren zum Umgang mit Beschwerden existieren – ebenso wie klar definierte Maßnahmen, die Ihr Arbeitgeber bei bestätigter sexueller Belästigung ergreift. Schlagen Sie als Betriebsrat Ihrem Arbeitgeber bei Bedarf nachfolgenden Prozess vor.

Brigitte Ganzmann

19.05.2025 · 4 Min Lesezeit

Sexuelle Belästigung ist keine „Bagatelle“ oder „Privatsache“. Sie ist eine Straftat, stellt einen schweren Verstoß gegen die Würde der betroffenen Person dar und kann gravierende psychische und gesundheitliche Folgen haben. Zudem wirkt es sich auch auf das Betriebsklima aus.

Was macht es mit den Betroffenen?

Sexuelle Belästigungen haben massive Auswirkungen auf die Gesundheit, die Arbeitsleistung und auch auf das Betriebsklima.

Beispiel: Eine Betroffene berichtet

„Seit Monaten macht mein Abteilungsleiter anzügliche Bemerkungen über mein Aussehen. Er berührt mich wie zufällig, wenn er an meinem Schreibtisch vorbeigeht. Ich fühle mich unwohl und versuche, ihm aus dem Weg zu gehen. Meine Arbeitsleistung hat darunter gelitten, ich kann mich kaum noch konzentrieren. Nachts liege ich oft wach und grüble. Ich überlege, mich nach einem neuen Job umzusehen, obwohl ich meine Arbeit eigentlich mag.“ (Karin, 23 Jahre)

Neben Angst, Stress, Schlafstörungen und Krankheitsausfällen sind auch langfristige Schädigungen des Selbstwertgefühls und des Vertrauens in betriebliche Strukturen möglich. Betroffene Kollegen leiden oft ihr ganzes Leben unter den Folgen.

Sie als Betriebsrat sind häufig die erste Anlaufstelle

Häufig sind es Sie als Betriebsrat, an die sich Betroffene wenden. Besonders, wenn es keine bekannte Beschwerdestelle innerhalb des Betriebs gibt, wie es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorsieht. § 85 BetrVG gibt Ihnen als Betriebsrat das Recht, sich für die Einhaltung von Schutzvorschriften einzusetzen. Dazu gehört auch die Unterstützung bei Beschwerden gemäß § 13 AGG. Hier sind Sensibilität, Wissen und ein klares Vorgehen gefragt.

Beispiel: Anna sucht Hilfe beim Betriebsrat

Anna M., Sachbearbeiterin in einem mittelständischen Betrieb, kommt verstört zum Betriebsrat. Seit einigen Wochen wird sie immer wieder von einem Kollegen mit sexuell aufgeladenen Bemerkungen über ihr Aussehen konfrontiert. Zuletzt kommentierte er in der Küche: „Mit so einem Outfit lenkst du mich den ganzen Tag ab.“

Anna hat versucht, die Bemerkungen zu ignorieren, aber sie fühlt sich zunehmend unwohl, meidet bestimmte Räume und hat Schlafprobleme. Sie hat sich bisher niemandem anvertraut. Jetzt sucht sie Hilfe beim Betriebsrat.

Wie würden Sie vorgehen?

Was würden Sie als Betriebsrat in so einer Situation tun? Keine leichte Frage. Hier hilft eine klare betriebliche Regelung, die jeden Schritt vorgibt.

Wichtig: Was auf keinen Fall geschehen darf

2 Fehler müssen unbedingt vermieden werden:

Gegenüberstellung: Die Konfrontation von Betroffener und Beschuldigtem in einem Gespräch ist unzulässig. Sie kann retraumatisierend wirken, Druck erzeugen und das Machtungleichgewicht verschärfen. Die Aufklärung darf nicht auf dem Rücken der betroffenen Kollegen ausgetragen werden.

Schuldumkehr: Aussagen wie „Du hättest dich eher wehren sollen“ oder „Warum hast du das Outfit getragen?“ sind respektlos und diskriminierend. Sie untergraben das Vertrauen in betriebliche Schutzmechanismen und verstoßen gegen das AGG.

Wie kann ein guter Ablauf gelingen?

Ein professioneller Aufklärungsprozess verläuft in mehreren, klar definierten Schritten:

Regeln Sie diese 7 Schritte in Ihrem Betrieb

  1. Beschwerdestelle einrichten: Es ist im Betrieb bekannt, wohin sich Kollegen mit einer Beschwerde über sexuelle Belästigung wenden können.
  2. Vertrauenswürdige Annahme der Beschwerde: Die betroffene Person wird von der Beschwerdestelle bzw. von Ihnen als Betriebsrat ernst genommen, es wird aktiv zugehört und das weitere Vorgehen transparent gemacht. Vertraulichkeit ist hier oberstes Gebot, ebenso wie die Dokumentation der Beschwerde.
  3. Schutz der Betroffenen: Erste Schutzmaßnahmen können z. B. ein Kontaktverbot oder eine organisatorische Trennung sein. Ziel ist, weitere Belastungen zu vermeiden.
  4. Ermittlung: Die Beschwerde wurde dokumentiert. Die beschuldigte Person wird angehört. Zeugen werden einbezogen, sofern die betroffene Person zustimmt. Alle Informationen werden sachlich gesammelt und vertraulich behandelt.
  5. Bewertung und Entscheidung: Auf Basis der Informationen wird entschieden, ob ein Verstoß gegen das AGG oder interne Verhaltensregeln vorliegt. Bei Bedarf kann eine externe Expertise hinzugezogen werden.
  6. Maßnahmen und Kommunikation: Arbeitgeber sind verpflichtet, wirksame und angemessene Maßnahmen zu ergreifen. Dabei sind sowohl arbeitsrechtliche als auch organisatorische Möglichkeiten denkbar.
  7. Nachsorge: Die betroffene Person wird weiter begleitet, Repressalien verhindert, das Betriebsklima beobachtet. Der Betriebsrat kann hier eine wichtige Kontrollfunktion einnehmen.

Info: Broschüre nutzen

Sie als Betriebsrat und auch die Vertrauensstellen sollten Beschwerden nach § 13 AGG richtig dokumentieren. Nutzen Sie dabei die Ausfüllhilfe der Antidiskriminierungsstelle, die Sie unter folgendem Link downloaden können (als Word-Datei): https://kurzlinks.de/hz5j

Was tun, wenn die Beschwerde bestätigt wird?

Dann muss Ihr Arbeitgeber handeln, das ist seine Aufgabe nach dem AGG. Er hat hier verschiedene Handlungsmöglichkeiten, die Sie aus der nachstehenden Tabelle entnehmen können.Nutzen Sie als Betriebsrat Ihre Mitbestimmungsrechte und regeln Sie den Ablauf mit Ihrem Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung! Dazu gehören neben dem Beschwerdeverfahren auch die möglichen Maßnahmen. Regen Sie als Betriebsrat an, dass zudem regelmäßig in Sensibilisierungsmaßnahmen investiert wird.

Fazit: Transparenter Ablauf

Ein klarer, fairer und transparenter Beschwerdeprozess ist die zentrale Grundlage für Vertrauen und Schutz im Betrieb. Sorgen Sie als Betriebsrat dafür, dass Ihre Kollegen immer wieder über das Thema, den Beschwerdeweg, die vertrauenswürdigen Ansprechpartner und die möglichen Konsequenzen informiert werden. Damit dies auch über Ihre Amtszeit hinaus geschieht, ist eine Betriebsvereinbarung wichtig, die präventive Maßnahmen verbindlich festhält.

Als Betriebsrat sind Sie eine wichtige Anlaufstelle und Vertrauensperson, wenn es einen Vorfall gab. Dennoch sollten Sie nicht unbedacht handeln – zum Schutz von Betroffenen und Beschuldigten. Eine gute Dokumentation sowie eine konsequente Ermittlung sind wichtig, wobei auch der Beschuldigte sowie Zeugen gehört werden.


Arbeitshilfen

  • Übersicht: Maßnahmen bei bestätigter sexueller Belästigung

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Ich bin seit über 15 Jahren im Bereich Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement aktiv und seit Juni 2018 Chefredakteurin von „Arbeitsschutz & Gesundheitsmanagement für Betriebs­räte“. In meinem Hauptberuf arbeite ich als systemischer […]

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