RECHT & URTEILE

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: riskant für den Täter und den Arbeitgeber

Es ist nicht zu fassen. Es gibt im Jahr 2025 immer noch Beschäftigte, die meinen, sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz seien ein Kavaliersdelikt. Richtig ist hingegen – zu Recht –, dass sie damit massiv ihren Arbeitsplatz gefährden. Aber das Risiko liegt nicht nur bei den Tätern.

Brigitte Ganzmann

19.05.2025 · 3 Min Lesezeit

Was viele nicht wissen: Auch Arbeitgeber riskieren Ärger bis hin zu Entschädigungsforderungen, wenn sie bei sexuellen Belästigungen nicht einschreiten.

Sexuelle Belästigung ist auch ein AGG-Thema

Als Betriebsrat haben Sie darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze usw. eingehalten werden. Dazu gehört auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Auf den ersten Blick hat sexuelle Belästigung nichts mit dem Gebot der Gleichbehandlung zu tun. Aber nur auf den ersten Blick. § 3 Abs. 3 und Abs. 4 AGG sehen das nämlich anders. Belästigungen z. B. aufgrund des Geschlechts können eine Benachteiligung darstellen.

§ 3 Abs. 3 und 4 AGG: Begriffsbestimmungen

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Nehmen Sie den Arbeitgeber in die Pflicht

Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, dass es nicht zu solchen oder ähnlichen Benachteiligungen kommt. Schreitet er nicht ein, drohen ihm Entschädigungsforderungen der Betroffenen wegen des AGG-Verstoßes. Machen Sie dem Arbeitgeber bewusst, dass ein konsequentes Vorgehen gegen sexuelle Belästigung nicht nur im Hinblick auf die Mitarbeiterbindung und Motivation der Beschäftigten wichtig ist, sondern sich auch finanziell lohnen kann.

Verhandeln Sie mit ihm über eine Betriebsvereinbarung zum Thema „Vermeidung sexueller Belästigungen am Arbeitsplatz“.

Risiko für Täter: Kündigung droht

Erst kürzlich musste das Verwaltungsgericht (VG) Aachen über die Entlassung eines Polizeibeamten (!) entscheiden. Die Würde seiner Kolleginnen war ihm anscheinend völlig egal. Er bezeichnete sie z. B. im Herrenumkleideraum als „feministische Fotzen“. Wegen dieser und anderer, vergleichbarer verbaler Entgleisungen hielten ihn sowohl der Dienstherr als auch das VG für ungeeignet für den Beamtenjob. Seine Entlassung war rechtmäßig (VG Aachen, 26.2.2025, Az. 1 K 796/22).

Hinweis: Machen Sie das Risiko bewusst

Informieren Sie z. B. bei einer Betriebsversammlung über die möglichen Konsequenzen solchen Fehlverhaltens. Dann wird das Problem unvorsichtigen Personen bewusst, mögliche Täter und Arbeitgeber werden gewarnt.

Nicht immer ist eine fristlose Kündigung möglich

In einigen Fällen erlauben die Gerichte zwar eine Kündigung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, nicht aber die fristlose Kündigung. Bei der Interessenabwägung kann zugunsten des Täters eine lange Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen sein. So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein bei einem Täter mit 30-jähriger Betriebszugehörigkeit, dass es wegen seines Alters und des fehlenden Berufsabschlusses für ihn schwer sein dürfte, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, und hielt daher die fristlose Kündigung für unzulässig (24.3.21, Az. 6 Sa 203/20).

Andere Gerichte sind weniger großzügig. Die Frage eines langjährig beschäftigten Arbeitnehmers nach der Echtheit der Oberweite einer Auszubildenden und die folgende Berührung der Brust stellen sexuelle Belästigungen dar und berechtigen den Arbeitgeber ohne Abmahnung zur fristlosen Kündigung (LAG Niedersachsen, 6.12.13, Az. 6 Sa 391/13).

Fazit: Ich wünsche mir noch mehr Konsequenz

Bei jeder fristlosen Kündigung kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Es sind auch die Interessen des Täters zu berücksichtigen. Oft spricht eine lange Betriebszugehörigkeit für die Täter und verhindert die fristlose Kündigung. Hier würde ich mir manchmal mehr Opferorientierung wünschen. Denn schließlich sollten auch langjährig beschäftigte Arbeitnehmer wissen, dass eine sexuelle Belästigung einfach nicht geht!

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Ich bin seit über 15 Jahren im Bereich Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement aktiv und seit Juni 2018 Chefredakteurin von „Arbeitsschutz & Gesundheitsmanagement für Betriebs­räte“. In meinem Hauptberuf arbeite ich als systemischer […]

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