Was viele nicht wissen: Auch Arbeitgeber riskieren Ärger bis hin zu Entschädigungsforderungen, wenn sie bei sexuellen Belästigungen nicht einschreiten.
Sexuelle Belästigung ist auch ein AGG-Thema
Als Betriebsrat haben Sie darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze usw. eingehalten werden. Dazu gehört auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Auf den ersten Blick hat sexuelle Belästigung nichts mit dem Gebot der Gleichbehandlung zu tun. Aber nur auf den ersten Blick. § 3 Abs. 3 und Abs. 4 AGG sehen das nämlich anders. Belästigungen z. B. aufgrund des Geschlechts können eine Benachteiligung darstellen.
Nehmen Sie den Arbeitgeber in die Pflicht
Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, dass es nicht zu solchen oder ähnlichen Benachteiligungen kommt. Schreitet er nicht ein, drohen ihm Entschädigungsforderungen der Betroffenen wegen des AGG-Verstoßes. Machen Sie dem Arbeitgeber bewusst, dass ein konsequentes Vorgehen gegen sexuelle Belästigung nicht nur im Hinblick auf die Mitarbeiterbindung und Motivation der Beschäftigten wichtig ist, sondern sich auch finanziell lohnen kann.
Verhandeln Sie mit ihm über eine Betriebsvereinbarung zum Thema „Vermeidung sexueller Belästigungen am Arbeitsplatz“.
Risiko für Täter: Kündigung droht
Erst kürzlich musste das Verwaltungsgericht (VG) Aachen über die Entlassung eines Polizeibeamten (!) entscheiden. Die Würde seiner Kolleginnen war ihm anscheinend völlig egal. Er bezeichnete sie z. B. im Herrenumkleideraum als „feministische Fotzen“. Wegen dieser und anderer, vergleichbarer verbaler Entgleisungen hielten ihn sowohl der Dienstherr als auch das VG für ungeeignet für den Beamtenjob. Seine Entlassung war rechtmäßig (VG Aachen, 26.2.2025, Az. 1 K 796/22).
Nicht immer ist eine fristlose Kündigung möglich
In einigen Fällen erlauben die Gerichte zwar eine Kündigung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, nicht aber die fristlose Kündigung. Bei der Interessenabwägung kann zugunsten des Täters eine lange Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen sein. So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein bei einem Täter mit 30-jähriger Betriebszugehörigkeit, dass es wegen seines Alters und des fehlenden Berufsabschlusses für ihn schwer sein dürfte, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, und hielt daher die fristlose Kündigung für unzulässig (24.3.21, Az. 6 Sa 203/20).
Andere Gerichte sind weniger großzügig. Die Frage eines langjährig beschäftigten Arbeitnehmers nach der Echtheit der Oberweite einer Auszubildenden und die folgende Berührung der Brust stellen sexuelle Belästigungen dar und berechtigen den Arbeitgeber ohne Abmahnung zur fristlosen Kündigung (LAG Niedersachsen, 6.12.13, Az. 6 Sa 391/13).