Als Bewerber*in darf man im Grunde alle Fragen stellen. Natürlich sind die allgemeinen Gesetze einzuhalten. So darf z. B. niemand beleidigt werden – was sich von selbst versteht. Auch werden sich manche Fragen vielleicht nicht positiv auf die Einstellungschancen auswirken. Ansonsten aber ist man als Bewerber*in beim Bewerbungsgespräch keinen Schranken unterworfen.
Für den*die potenzielle*n Dienstgeber*in gibt es dagegen klare arbeitsrechtliche rote Linien, die er*sie nicht überschreiten darf.
Dienstgeber*in muss ein berechtigtes Interesse haben
Entscheidend für die Zulässigkeit einer Frage des*der Dienstgebenden ist, ob diese*r ein objektiv berechtigtes Interesse daran hat, diese Frage
- zu stellen und
- wahrheitsgemäß beantwortet zu bekommen.
Diesen generellen Grundsatz, der für alle Arbeitgebendenfragen gilt, hat die Rechtsprechung für einige typische Fragen schon sehr konkret ausbuchstabiert. Bei anderen Fragen bleibt hingegen noch eine mehr oder weniger große Ungewissheit.
Dennoch kann man mit diesem Maßstab einige Fragen schon ganz gut einordnen, wie in den folgenden Beispielen. Dabei leuchtet unmittelbar ein, dass es nicht nur auf die Frage an sich, sondern auch auf die Tätigkeit ankommt, mit der sie in Verbindung gebracht wird. Das verdeutlichen die nachfolgenden Beispiele.
AGG und Datenschutz sind besonders zu beachten
Besonderes Gewicht kommt in diesem Zusammenhang dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und der Datenschutz-Grundverordnung sowie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zu.
§ 1 AGG verbietet eine Diskriminierung wegen eines der folgenden Merkmale:
- Rasse
- ethnische Herkunft
- Geschlecht
- Religion oder Weltanschauung
- Behinderung
- Alter
- sexuelle Identität
Lässt sich eine Diskriminierung an einem dieser Merkmale festmachen, setzt dies den besonderen Mechanismus des AGG in Gang.
Interessant und vorteilhaft für Mitarbeitenden bzw. Bewerbenden sind dabei vor allem 2 Regelungen:
- Gemäß § 22 AGG müssen Sie als Mitarbeiter*in oder Bewerber*in eine Diskriminierung nicht nachweisen, sondern nur Indizien dafür vorbringen. Das kann eine erhebliche Erleichterung im Prozess darstellen. So reicht es z. B. aus, wenn eine Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral formuliert ist.
- Eine weitere wichtige Regelung des AGG besteht darin, dass es nicht nur Schadenersatz, sondern auch Schmerzensgeld vorsieht (§ 15 Abs. 2 AGG („Entschädigung wegen Nichtvermögensschaden“)).
Bei Fragen zur Einstellung ist auch der Datenschutz vom*von der Dienstgebenden zu beachten. Gemäß § 26 BDSG dürfen personenbezogene Daten bei der Begründung von Beschäftigungsverhältnissen nur verarbeitet werden, wenn dies
- entweder für die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses selbst erforderlich ist
- oder der*die Betroffene selbst zuvor seine Einwilligung erklärt hat.
Die Einwilligung hat grundsätzlich in Schriftform zu erfolgen, das heißt mit eigenhändiger Original-Unterschrift und nicht etwa per E-Mail.
Konsequenz: Recht zur Lüge oder Anfechtung
Die Einordnung in zulässig oder unzulässig ist entscheidend für die arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer solchen Frage.
Ist eine Frage unzulässig, gesteht die Rechtsprechung dem*der Mitarbeiter*in bzw. Bewerber*in ein Recht zur Lüge zu. Das ist im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes sinnvoll und notwendig. Denn müsste eine Bewerberin etwa auf eine Frage nach der Schwangerschaft antworten: „Hierzu berufe ich mich auf mein Auskunftsverweigerungsrecht“, könnte und würde der*die Dienstgeber*in in der Praxis natürlich den naheliegenden Schluss ziehen, dass eine Schwangerschaft vorliegt, und von einer Einstellung ggf. absehen.
Sagt man hingegen auf eine zulässige Frage die Unwahrheit, kann der*die Dienstgeber*in den Dienstvertrag anfechten.