RECHT & URTEILE

BAG stärkt Schutz von Schwangeren

Schwangere Beschäftigte genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Das ist auch gut so. Aber manchmal führen die Zeitabläufe im Zusammenhang mit der Kündigung von Schwangeren zu einem Problem. Arbeitnehmerfreundlich hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt eine wichtige Frage geklärt (3.4.2025, Az. 156/24).

Brigitte Ganzmann

06.06.2025 · 3 Min Lesezeit

Der Fall: Der Arbeitgeber kündigte einer Mitarbeiterin. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung war sie schwanger. Damit hätte an sich besonderer Kündigungsschutz nach § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG) bestanden. Das Problem: Beim Zugang der Kündigung wusste sie noch nichts von der Schwangerschaft.

Erst als sie einige Tage später einen positiven Schwangerschaftstest machte, wurde sie auf die Schwangerschaft aufmerksam. Anschließend machte sie einen Termin bei ihrem Frauenarzt, der die Schwangerschaft bestätigte. Aus terminlichen Gründen kam es aber erst rund einen Monat, nachdem sie die Kündigung erhalten hatte, zu dem Untersuchungstermin.

Klagefrist war bereits abgelaufen

Zwar erhob sie bereits kurz vor dem Arzttermin ihre Kündigungsschutzklage. Sie beantragte auch die nachträgliche Zulassung der verspäteten Klage.

Arbeitgeber pochte auf Verfristung

Der Arbeitgeber hielt die Kündigungsschutzklage aber für unzulässig, weil zu spät. Nach § 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) hätte die Beschäftigte ihre Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erheben müssen. Einen Grund für eine nachträgliche Klagezulassung sah der Arbeitgeber nicht.

Er stellte sich auf den Standpunkt, dass die Arbeitnehmerin durch den positiven Schwangerschaftstest, den sie selbst durchgeführt hatte, bereits innerhalb der Klagefrist wusste, dass sie schwanger war. Sie hätte dann die Klage noch innerhalb der Frist einlegen können – nach Ansicht des Arbeitgebers einlegen müssen. Daher könne sie sich nicht mehr auf den Kündigungsschutz aus § 17 MuSchG berufen.

§ 17 Abs. 1 MuSchG: Kündigungsverbot

(1) Die Kündigung gegenüber einer Frau ist unzulässig

1. während ihrer Schwangerschaft,

2. bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche und

3. bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung,

wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche oder die Entbindung bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. […]

Die Entscheidung: Die Richter hatten also zu entscheiden, ob eine nachträgliche Zulassung der verspäteten Klage möglich ist und ob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutz hat. Und sie entschieden im Sinne der Arbeitnehmerin. Sie ließen die Kündigungsschutzklage trotz der Verspätung zu. Die Mitarbeiterin bekam sogar in allen 3 Instanzen recht. Zuletzt betonte das BAG, dass die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG unwirksam war.

Auch aus dem KSchG lasse sich nicht ableiten, dass die Kündigung wirksam ist, weil die Arbeitnehmerin die Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig durch eine Kündigungsschutzklage geltend gemacht hat. Die Richter folgten zwar der Argumentation des Arbeitgebers, dass die Klagefrist an sich abgelaufen war. Sie ließen die verspätete Klage jedoch nachträglich gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu.

Es kommt auf die ärztliche Feststellung an

Anders als der Arbeitgeber betonten die höchsten deutschen Arbeitsrichter, dass die Mitarbeiterin erst durch das Ergebnis der frauenärztlichen Untersuchung positiv erfahren hat, dass sie tatsächlich bei Zugang der Kündigung schwanger war. Auf den selbst durchgeführten Test kommt es insoweit nicht an. Es sei nicht ihre Schuld, dass sich der Termin bei dem Frauenarzt verzögert habe.

Hinweis: Schnelle Terminvereinbarung ist gefragt

Entscheidend war in diesem Fall wohl, dass die Mitarbeiterin kurzfristig nach dem selbst durchgeführten Schwangerschaftstest versuchte, einen Termin bei ihrem Frauenarzt zu bekommen. Sie hat also alles getan, was sie tun konnte, um möglichst schnell Klarheit zu bekommen. Hätte sie länger gewartet, hätte das BAG durchaus anders entscheiden können. Raten Sie also betroffenen Kolleginnen in solch einem Fall, möglichst schnell einen Termin bei ihrem Frauenarzt zu vereinbaren.

Diese Entscheidung stärkt die Position schwangerer Kolleginnen. Informieren Sie darüber auf allen geeigneten Wegen, z. B. im Betriebsrats-Newsletter oder auf einer Betriebsversammlung.

Fazit: Kämpfen lohnt sich

Gut, dass die Schwangere ihre Rechte bis zum BAG verfolgt hat. Der Fall zeigt, dass sich das lohnen kann. Machen Sie Betroffenen Mut, sich beraten zu lassen.

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Ich bin seit über 15 Jahren im Bereich Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement aktiv und seit Juni 2018 Chefredakteurin von „Arbeitsschutz & Gesundheitsmanagement für Betriebs­räte“. In meinem Hauptberuf arbeite ich als systemischer […]

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