Gefühlt arbeiten wir alle zu viele Stunden in der Woche, doch tatsächlich ist die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Deutschland ist in den letzten 3 Jahrzehnten moderat gesunken. Laut Statistischem Bundesamt lag die durchschnittliche tatsächliche Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten 1991 noch bei rund 41,1 Stunden und 2021 bei etwa 40,3 Stunden. Gleichzeitig hat sich die Form der Arbeitszeit stark verändert:
- Teilzeitmodelle haben deutlich zugenommen – vor allem bei Frauen.
- Flexible Arbeitszeiten (Gleitzeit, Vertrauenszeit, Schichtmodelle) sind vielerorts Standard.
Erschöpft trotz guter Rahmenbedingungen
Wir sind durch das Arbeitszeitgesetz und auch durch die verschiedenen Formen der Arbeitszeit gut aufgestellt in Deutschland, doch tatsächlich verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr, insbesondere durch Digitalisierung und mobiles Arbeiten. Diese Entwicklungen haben auch gesundheitlich Folgen. Studien zeigen: Arbeitszeit, Arbeitsintensität und die Möglichkeit zur Erholung stehen in einem direkten Zusammenhang mit psychischer Belastung, Erschöpfung und langfristiger Arbeitsfähigkeit.
Arbeitszeit und Gesundheit – was sagt die Wissenschaft?
Wie hängen Arbeitszeit und Gesundheit zusammen? Die Belastung durch lange Arbeitszeiten ist gut untersucht. Ergebnisse der BAuA und internationaler Studien zeigen:
- Ab 40 Stunden pro Woche steigen gesundheitliche Risiken signifikant an – vorwiegend für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Beschwerden.
- Regelmäßige Überstunden führen zu einem höheren Risiko für Burnout, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen.
- Kurze Erholzeiten (z. B. durch geringe Pausen oder zu wenig Freizeit zwischen Arbeitstagen) beeinträchtigen die Regeneration massiv.
- Lange Arbeitszeiten gehen häufig mit niedriger Produktivität einher – vor allem bei Tätigkeiten, die hohe Konzentration erfordern.
- Zudem zeigt sich: Selbstbestimmte Arbeitszeiten wirken sich meist positiv auf Gesundheit, Motivation und Bindung an den Betrieb aus – speziell, wenn sie mit Vertrauen, klaren Regeln und Unterstützung kombiniert werden.
Was macht ein gutes Arbeitszeitmodell aus?
Ein gutes Arbeitszeitmodell ist gesundheitsförderlich, gerecht, flexibel und mitbestimmt. Es berücksichtigt die Anforderungen der Tätigkeit, die individuellen Bedürfnisse der Kollegen – und schafft dennoch betriebliche Verlässlichkeit. So können Sie als Betriebsrat dafür sorgen – Sie haben jedes Recht dazu.
6 Arbeitszeitaspekte, die konkreten Einfluss auf die Gesundheit haben
1. Erholungsphasen beachten
Als Betriebsrat können Sie
- Pausenregelungen kontrollieren: Überprüfen Sie, ob gesetzlich vorgeschriebene Pausen (z. B. 30 Minuten bei über 6 Stunden Arbeit) eingehalten werden.
- Erholzeiten im Dienstplan beachten: Achten Sie bei Schicht- oder Wochenendarbeit auf die Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten (mind. 11 Stunden täglich laut Arbeitszeitgesetz).
- Mikropausen im Büroalltag anregen: Regen Sie die Einführung kurzer bewegter Pausen an.
2. Selbstbestimmung über Arbeitszeiten
Als Betriebsrat können Sie
- Arbeitszeitkonten mitgestalten (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG): Gestalten Sie flexible Modelle mit, bei denen die Kollegen selbst über Mehr- und Minderzeiten entscheiden können.
- Homeoffice-Zeiten mitbestimmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG): Klären Sie mit Ihrem Arbeitgeber, wann und wie mobile Arbeit möglich ist.
- Anträge zur Vertrauensarbeitszeit kritisch prüfen: Stellen Sie sicher, dass diese nicht zu Selbstausbeutung führen.
3. Planbarkeit und Fairness für Teams gewährleisten
Als Betriebsrat können Sie
- Dienstpläne und Schichtmodelle prüfen (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG): Achten Sie darauf, dass alle gleichmäßig belastet werden (z. B. dass nicht immer dieselbe Person die Spät- oder Wochenendschicht übernimmt).
- transparente Regelungen einfordern: Fordern Sie den Einsatz von digitalen Tools oder Aushängen für die Dienstplanung, auf die alle Zugriff haben.
4. Vermeidung von Überstunden und Dauerstress
Als Betriebsrat können Sie
- Überstunden dokumentieren lassen: Kontrollieren Sie die Arbeitszeitkonten und fordern Sie regelmäßige Auswertungen an (ggf. über Wirtschaftsausschuss).
- Grenzen definieren: Klären Sie gemeinsam mit Ihrem Arbeitgeber, wie viele Überstunden pro Monat/Jahr zulässig sind.
- Meldesystem für Überlastung etablieren: Schlagen Sie dies z. B. in Form eines einfachen digitalen Formulars vor, über das Kollegen Belastungen melden können.
5. Zugänglichkeit für verschiedene Lebensphasen
Als Betriebsrat können Sie
- pflege- und elternzeitfreundliche Modelle fördern: Setzen Sie sich gezielt für mehr flexible Schichten, Wiedereinstiegsmöglichkeiten und Jobsharing ein.
- individuelle Lösungen aushandeln: z. B. feste freie Tage für pflegende Angehörige oder Kinderbetreuung
6. Gleichstellung (z. B. keine Nachteile für Teilzeit oder Care-Arbeit)
Als Betriebsrat können Sie
- Teilzeitbeschäftigte schützen: Achten Sie darauf, dass sie nicht zu Randzeiten oder immer kurzfristig eingeplant werden.
- Entgeltgerechtigkeit beobachten (§ 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG): Prüfen Sie, ob alle gleich bezahlt werden – unabhängig von Geschlecht oder Arbeitszeit.
- Karrierechancen im Blick behalten: Regen Sie Gespräche an, wie auch Kollegen in Teilzeit Führungs- oder Projektaufgaben übernehmen können.
Setzen Sie als Betriebsrat Impulse
Als Interessenvertretung können Sie aktiv mitgestalten, wenn Ihr Arbeitgeber neue Arbeitszeitmodelle einführt oder bestehende überarbeitet. Sie können auch eigene Impulse setzen, z. B. durch:
- Vorschläge für Pilotprojekte zur 4-Tage-Woche (s. Kasten)
- Einforderung der Evaluation von Arbeitszeitmodellen im Hinblick auf Gesundheit
Besonders die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (§ 5 ArbSchG) ist ein starkes Druckmittel für Sie als Betriebsrat: Wo Arbeitszeiten krank machen, müssen Sie aktiv werden