Prägende Figur im feministischen
und postkolonialen Filmschaffen
Lebenslauf
| Datum/Jahr | Ereignis |
|---|---|
| 1952 | Geboren in Hanoi, Vietnam |
| 1970 | Auswanderung in die USA |
| 1977 | Dissertation in französischer Literatur an der University of Illinois in Urbana-Champaign |
| 1977-1988 | Feldforschungen in Mali, Senegal und Obervolta |
| 1982 | Erscheinen des Films „Reassemblage“ |
| 1985 | Erscheinen des Films „Naked Spaces“ |
| 1989 | Erscheinen des Films „Surname Viet Given Name Nam“ Veröffentlichung des Buches „Woman, Native, Other“ |
| 1991 | Erscheinen des Films „Shoot for the Contents“ |
| seit 1994 | Professorin in der Abteilung für Gender- und Frauenstudien an der University of California |
| 1996 | Erscheinen des Films „A Tale of Love“ |
| 2001 | Erscheinen des Films „The Fourth Dimension“ |
| 2002 | Ausstellung auf der „documenta“ in Kassel |
| 2003 | Erscheinen des Kurzfilms „The Desert Is Watching“ |
| 2004 | Erscheinen des Films „Night Passage“ |
| 2005 | Erscheinen des Kurzfilms „Bodies of the Desert“ |
| 2007 | Erscheinen des Kurzfilms „Old Land New Waters“ |
| 2012 | Auszeichnung mit dem „Women’s Caucus for Art Lifetime Achievement Award“ |
| 2015 | Erscheinen des Films „Forgetting Vietnam“ |
| 2022 | Erscheinen des Films „What About China“ |
| 2023 | Ausstellung auf der Kunstbiennale in São Paulo |
Sie ist Filmemacherin, Schriftstellerin, Komponistin, Professorin und in jeder dieser Rollen vor allem auch Feministin: Trinh T. Minh-ha. In ihren Werken bricht die gebürtige Vietnamesin Kategorisierungen und Begrenzungen auf, sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Sie hat international das feministische und postkoloniale Film- und Kunstschaffen in den letzten Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt.
Geboren in Vietnam, ausgewandert in die USA
Trinh T. Minh-ha wurde 1952 in Hanoi, Vietnam geboren. Ihre Kindheit und Jugend war vom Vietnamkrieg (1955–1975) geprägt, sie wuchs im kriegszerrütteten Südvietnam auf. Über ihre Familie ist öffentlich so gut wie nichts bekannt.
In Ho-Chi-Minh-Stadt, früher bekannt als Saigon, studierte Trinh T. Minh-ha am Nationalen Konservatorium für Musik und Theater. Nach ihrem Abschluss im Jahr 1970 wanderte sie in die USA aus.
An der University of Illinois in Urbana-Champaign studierte Trinh T. Minh-ha Musikkomposition, Ethnomusikologie und französische Literatur. Sie dissertierte in französischer Literatur und erhielt 1977 erhielt ihren Doktortitel.
Erster bedeutender Film
In den folgenden drei Jahren betrieb die gebürtige Vietnamesin anthropologische Feldforschungen in Mali, im Senegal und in Obervolta. Auf Basis dieser veröffentlichte sie 1982 ihren ersten Film, „Reassemblage“.
„Reassemblage“ (40 Minuten) wurde im Senegal gedreht und zeigt Szenen aus dem Alltagsleben der Bevölkerung, insbesondere von Frauen in Dörfern. Der Film ist jedoch kein konventioneller Dokumentarfilm, denn er enthält keinen erklärenden Kommentar und trennt zudem Ton und Bild voneinander. „Reassemblage“ ist eher eine Montage aus Bildern und gelegentlichen Aussagen, die jedoch nicht die gezeigten Szenen kommentieren oder erklären.
Damit gibt Trinh T. Minh-ha den gezeigten Personen – insbesondere den Frauen – und auch den Zuschauenden Raum und Zeit, da sie nicht über sie, sondern lediglich in ihrer Nähe spricht. „Indem Sie nicht versuchen, eine Autoritätsperson gegenüber dem andern einzunehmen, befreien Sie sich tatsächlich von den endlosen Kriterien, die ein solcher Allwissenheitsanspruch und seine Wissenshierarchien mit sich bringen“, erklärte Trinh T. Minh-ha.
Ethnografisches Essay über Identität
Drei Jahre später erschien Trinh T. Minh-has zweiter, langer Film. In „Naked Spaces“ (135 Minuten) widmet sich die Filmemacherin der postkolonialen Identifikation. Der Film ist ein ethnografisches Essay über Identität und beleuchtet auch die Aspekte Sprache bzw. die Unmöglichkeit von Übersetzung und kultureller Repräsentation. Auch in diesem Film verwendet Trinh T. Minh-ha den Stil der Bildmontage.
1989 veröffentlichte die Filmemacherin mit „Surname Viet Given Name Nam“ (108 Minuten) ihren dritten bedeutenden Film. Dieser besteht aus Archivmaterial, gedruckten Informationen und Interviews mit fünf Frauen, die – wie Trinh T. Minh-ha – aus Vietnam stammen, aber in den USA leben. Die fünf Frauen rezitieren zudem englische Übersetzungen von Interviews mit anderen Frauen aus Vietnam. Mit „Surname Viet Given Name Nam“ spielt Trinh T. Minh-ha also mit der Praxis des Interviews, mit Realem und Inszeniertem.
Bekanntes Buch „Woman, Native, Other“
Ebenfalls 1989 erschien Trinh T. Minh-has inzwischen sehr bekanntes Buch „Woman, Native, Other“. In diesem untersucht die Autorin die widersprüchlichen Imperative, mit denen ein „Ich“ in seiner Andersartigkeit als „Frau der Dritten Welt“ beim Schreiben konfrontiert ist. Trinh T. Minh-ha hinterfragt und kritisiert zudem die Rollen von Schöpferin, Intellektueller und Anthropologin.
Ein weiterer wichtiger Film, „Shoot for the Contents“ (102 Minuten), erschien 1991. Dieser beschäftigt sich mit den Themen Macht, Wandel, Politik und Kultur. Die gezeigten Bilder werden mit chinesischen Popsongs, klassischer Musik und Aussprüchen von Mao und Konfuzius überlagert.
Geschichte einer Immigrantin
1996 erschien „A Tale of Love“ (108 Minuten), in dem Trinh T. Minh-ha die Geschichte einer vietnamesischen Immigrantin erzählt und wie diese mit den Anforderungen ihres neuen Lebens in den USA, ihren persönlichen Ambitionen und mit ihrer zurückgelassenen Familie zu kämpfen hat. Diese Geschichte verliert im Verlauf des Films aber an Linearität und beginnt sich schließlich ganz aufzulösen, sodass die Zuschauenden die Erzählsträngen selbst verbinden müssen.
„The Fourth Dimension“ (98 Minuten) aus dem Jahr 2001 ist der erste digitale Videofilm von Trinh T. Minh-ha. Er ist eine Art Reisebericht durch Japan und erkundet konventionelle Tradition, Rituale des täglichen Lebens und neue Technologien.
Der Film „Night Passage“ (98 Minuten) von 2004 begleitet drei junge Menschen auf einer Zugreise zwischen Leben und Tod. Der Film meditiert über Schwellenräume und Identitäten.
Reflexion über Kulturen
Zum 40. Jahrestag des Kriegsendes entstand 2015 der Film „Forgetting Vietnam“ (90 Minuten), in dem sich die Filmemacherin der vietnamesischen Kultur nähert und alte Legenden und das Wasser als präsente Kraft in der Kultur Vietnams identifiziert. Während der Erstellung des Films starb Trinh T. Minh-has Vater.
„Die Reise hin zu seinem Tod und seinem Ableben öffnete mir eine Tür zu dem, was ich das Nicht-Menschliche nenne. Nicht, dass es das vorher nicht gegeben hätte, aber sein Weggang machte es für mich sehr intensiv“, sagte Trinh T. Minh-ha über den Verlust ihres Vaters.
Annahmen infrage stellen
Der letzte Film von Trinh T. Minh-ha trägt den Titel „What About China“ (135 Minuten) und ist aus dem Jahr 2022. Er ist eine Reflexion über die komplexe Geschichte Chinas und des Films als Medium. Der Film stellt Annahmen über das Land, die auf Medienberichten und Narrativen beruhen, infrage.
„Wenn ich an Orte gehe und Kulturen fotografiere, die sich von meiner eigenen unterscheiden, bin ich überhaupt nicht daran interessiert, über eine Geschichte zu berichten“, erklärt Trinh T. Minh-ha ihre Art des Filmemachens. „Ich gehe lieber mit Fragen an Orte und zu Veranstaltungen, wie diesen: Was charakterisiert eine Kultur? Was ist ihre alltägliche Realität? Was führt dazu, dass ein Land als solches wahrgenommen wird? Und vor allem: Wie zeigen und erzählen wir?“
Kurzfilme, Essays, Bücher und Vorträge
Neben den neun langen Filmen drehte Trinh T. Minh-ha auch drei bedeutende Kurzfilme: „The Desert Is Watching“ (2003), „Bodies of the Desert“ (2005) und „Old Land New Waters“ (2007). Sie schrieb zudem zahlreiche Essays und weitere Bücher und hielt Vorträge in Europa, Asien, Australien und Neuseeland.
Trinh T. Minh-has Werke wurden auch auf bekannten Ausstellungen präsentiert. Einige waren zum Beispiel 2002 auf der „documenta“ in Kassel und 2023 auf der Kunstbiennale in São Paulo zu sehen.
Für ihre Arbeit wurde die gebürtige Vietnamesin 2012 mit dem „Lifetime Achievement Award“ des Women’s Caucus for Art ausgezeichnet, der die Leistungen von Frauen in der Kunst würdigt.
Seit Jahrzehnten als Professorin tätig
Neben ihrer Tätigkeit als Filmemacherin und Autorin ist Trinh T. Minh-ha seit vielen Jahren auch als Professorin tätig. Seit 1994 ist sie Professorin in der Abteilung für Gender- und Frauenstudien an der University of California, seit 1997 auch in der Abteilung für Rhetorik, ebenfalls an der University of California.
Sie hat auch an den US-amerikanischen Universitäten Harvard in Cambridge, dem Smith College in Northampton, der Cornell University in Ithaca und der San Francisco University unterrichtet sowie an der Ochanomizu University in Japan und dem National Conservatory of Music im Senegal.
In ihren Kursen widmet sich Trinh T. Minh-ha der Arbeit von Frauen im Zusammenhang mit Kulturpolitik, Postkolonialität, zeitgenössischer Theorie und Kunst.er anderem an den Londoner Krankenhäusern St. Thomas‘ Hospital, Royal Marsden Hospital und Westminster Hospital. 1999 wurde sie zur „Chief Nursing Officer and Director of Patient Experience of England“, also zur leitenden Krankenpflegerin, im Gesundheitsministerium ernannt.