Jeanne Martin Cissé: Die Stimme der Frauen auf internationaler politischer Bühne

Persönlichkeit des Monats - September 2025

ADIUVA

27.08.2025 · 5 Min Lesezeit

Lebenslauf

Datum/JahrEreignis
06.04.1926Geboren in Kankan, Guinea
1945–1954Lehrerin an der Mädchenschule in Kankan
1946Heirat von Mohamad Camara,
Ehemann stirbt bei einem Autounfall
1947Eintritt in die Partei „Rassemblement Démocratique Africain“ (RDA)
1948Heirat von Ansoumane Touré
1954–1958Direktorin der Mädchenschule in Kankan
1962Mitgründung der „Union Afrikanischer Frauen“
1962–1974Generalsekretärin der „Union Afrikanischer Frauen“
1963–1969Vertreterin Guineas im UN-Ausschuss für die Rechtsstellung der Frau
1968–1972Mitglied in der guineischen Nationalversammlung
1971Tod ihres Ehemannes
Mitglied des Zentralkomitees der Partei RDA
1972–1976Ständige Vertreterin Guineas bei den Vereinten Nationen
1974–1976Ernennung zur ersten Vizepräsidentin der guineischen Nationalversammlung
1973Vorsitzende des UN-Sicherheitsrats
1975Vorsitzende der Weltkonferenz des Internationalen Frauenjahres.
Erhalt des „Lenin-Friedenspreises“ für die Stärkung des Völkerfriedens
1976–1984Guineische Ministerin für Soziales
1985–1986Inhaftierung
1986Auswanderung, zunächst in den Senegal, dann in die USA
1988Beitritt zum „Internationalen Solidaritätskomitee für Frauen und Kinder in Südafrika“
2002Auszeichnung mit dem „Oliver-Tambo-Orden“ durch den südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma
2004Mitglied der „Internationalen Vereinigung frankophoner Frauen“
2008Veröffentlichung ihrer Autobiografie „La fille du Milo“
21.02.2017Gestorben in Conakry, USA

„Auntie Jeanne“, Tante Jeanne, wurde sie in ihrer Heimat Guinea liebevoll genannt. Dieser Spitzname belegt die persönliche Beziehung, die Jeanne Martin Cissé zu ihren Mitmenschen – vor allem zu den Mädchen und Frauen – pflegte.

Auf internationaler Bühne trat sie aber nicht als „Tantchen“, sondern als professionelle Politikerin auf. So manchen politischen Gegner forderte sie heraus und wurde zu einer wichtigen Persönlichkeit im Kampf gegen die Apartheid und für Frauenrechte.

Rebellische Schülerin

Jeanne Martin Cissé wurde am 6. April 1926 in Kankan, Guinea, geboren. Ihr Vater, Martin Darricau Cissé, arbeitete als Angestellter im Postamt, ihre Mutter, Marie Joséphine Soumah, war Hebamme. Die Eltern schickten ihre Tochter zu einer Koranschule und zu einer säkularen Grundschule. Über ihre Schulzeit sagte Jeanne Martin Cissé später, dass sie eine rebellische Schülerin gewesen sei.

Als junge Frau besuchte sie die „École normale de Rufisque“ und wurde dort zu einer der ersten Lehrerinnen Afrikas ausgebildet. Ab 1945 arbeitete sie als Lehrerin an der Mädchenschule in ihrem Heimatort, von 1954 bis 1958 leitete sie die Schule als Direktorin.

Zwei Ehemänner, sechs Kinder

1946 heiratete Jeanne Martin Cissé Mohamed Camara. Ihr Ehemann starb allerdings bereits wenige Monate nach der Hochzeit infolge eines Autounfalls; die junge Frau war zu dieser Zeit im dritten Monat schwanger.

Zwei Jahre später heiratete sie erneut. Ihr Ehemann Ansoumane Touré war Aktivist der „Demokratischen Union Senegals“ und wurde kurz nach der Unabhängigkeit Guineas (1958) zum Stabschef des Gesundheitsministers ernannt. Das Paar bekam fünf gemeinsame Kinder.

Eintritt in die demokratische Partei

1947 trat sie in die Partei „Rassemblement Démocratique Africain“ (RDA) ein, die sich später in „Parti Démocratique de Guniée-Rassemblement Démocratique Africain“ (PDG-RDA) umbenannte.

Jeanne Martin Cissé war politisch sehr aktiv. Ihre großen Anliegen waren die Unabhängigkeit ihres Landes, der Kampf gegen die Apartheid und die Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie trat rasch auch international in Erscheinung: 1954 nahm sie am „Kongress der Internationalen Frauenföderation“ im Senegal teil, 1959 am „Westafrikanischen Frauenkongress“ in Mali.

Mitbegründerin der „Union Afrikanischer Frauen“

Jeanne Martin Cissé war eine der Mitbegründerinnen der „Union Afrikanischer Frauen“, die 1962 ins Leben gerufen und 1974 in „Panafrikanische Frauenorganisation“ umbenannt wurde. „Wir waren ja zunächst nur eine kleine Anzahl afrikanischer Frauen, aber wir haben uns organisiert“, erinnerte sich die guineische Politikerin später an die Zeit der Gründung zurück.

„Wir waren in den Befreiungsbewegungen immer an der Seite der Männer, aber im Hintergrund“, betonte sie in einem Interview. „Wir hatten keine Chance, etwas zu lernen. Also erkämpften wir uns das Recht zu studieren. Wir haben Treffen organisiert, wir haben Frauen ausgebildet. Die Männer haben oft gesagt, dafür gibt es keinen Platz, aber wir haben uns den Raum genommen.“

Vertreterin im UN-Ausschuss

1962, also noch im Gründungsjahr der „Union Afrikanischer Frauen“ wurde Jeanne Martin Cissé zur ersten Generalsekretärin der Union ernannt. Sie arbeitete rund zwölf Jahre in dieser Funktion und trat immer häufiger international in Erscheinung und für die Rechte der Frauen ein.

1963 wurde sie zur Vertreterin Guineas im UN-Ausschuss für die Rechtsstellung der Frau ernannt; ab 1968 war sie Mitglied in der guineischen Nationalversammlung; 1971 trat sie dem Zentralkomitee der PDG-RDA bei. Ebenfalls 1971 starb ihr Ehemann Ansoumane Touré im Gefängnis „Camp Boiro“.

Erste Ständige Vertreterin bei den UN

1972 erreichte Jeanne Martin Cissés politische Karriere einen wichtigen Meilenstein: Sie wurde zur Ständigen Vertreterin ihres Heimatlandes bei den Vereinten Nationen ernannt und war die erste Frau überhaupt in einer solchen Funktion. Diese Position ermöglichte es ihr, sich auf internationaler Ebene für die Rechte von (afrikanischen) Frauen stark zu machen. 1973 wurde sie, ebenfalls als erste Frau, Vorsitzende des UN-Sicherheitsrats. 1975 war sie Vorsitzende der Weltkonferenz des Internationalen Frauenjahres.

Von 1974 bis 1976 wurde die Politikerin, die mehrmals in die guineische Nationalversammlung gewählt wurde, zur ersten stellvertretenden Vizepräsidentin der Ständigen Kommission der Nationalversammlung ernannt. Von 1976 bis 1984 war sie als Ministerien für Soziales in der Regierung des ersten unabhängigen Präsidenten Ahmed Sékou Touré tätig.

13 Monate Haft

Nachdem Präsident Ahmed Sékou Touré 1984 gestorben war, wurden Jeanne Martin Cissé und einige andere hochrangige Politiker*innen inhaftiert; ihnen wurde ein Putschversuch gegen den Premierminister Diarra Traoré vorgeworfen. Nach 13 Monaten Haft wurde die Politikerin schließlich ohne Anklage freigelassen. Sie verließ Guinea, zog zunächst in den Senegal und wanderte anschließend in die Vereinigten Staaten von Amerika aus.

1988 trat Jeanne Martin Cissé dem „Internationalen Solidaritätskomitee für Frauen und Kinder in Südafrika“ bei. 2004 wurde sie Mitglied der „Internationalen Vereinigung frankophoner Frauen“.

Mehrfach für Engagement ausgezeichnet

Für ihr Engagement wurde Jeanne Martin Cissé mehrfach geehrt. 1973/1974 wurde sie mit dem „Lenin-Friedenspreis“ ausgezeichnet; 1975 erhielt sie von der senegalesischen Organisation „Yéwui Yéwe“ den „Aline-Sitoé-Diatta-Preis“; 1999 wurde ihr der „Nationalorden von Mali“ verliehen; 2002 zeichnete sie der südafrikanische Präsident Jacob Zuma mit dem „Oliver-Tambo-Orden“ aus; 2006 erhielt sie die Ehrenmedaille „Amilcar Cabral“.

Im Jahr 2008 erschien Jeanne Martin Cissés Biografie „La fille du Milo“ (zu Deutsch: Die Tochter des Milo). Der Milo ist ein Nebenfluss des Niger, mit dem Titel drückt sie also ihre Verbundenheit zu ihrer Heimat aus.

Am 21. Februar 2017 starb Jeanne Martin Cissé im Alter von 90 Jahren in Conakry, USA.

Wie hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

0
0

10
1
18