ARBEITSRECHT

Zugangsnachweis: Finger weg vom Einwurfeinschreiben!

Damit eine Kündigung wirksam wird, muss sie dem*der Betroffenen zugegangen sein. Ein Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post in Kombination mit einem Einlieferungsbeleg sowie einem Sendungsstatus genügt nicht als Beweis dafür, dass die Kündigung bei dem*der Empfänger*in angekommen ist. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG, 30.1.2025, Az. 2 AZR 68/24).

Maria Markatou

19.05.2025 · 2 Min Lesezeit

Der Fall: Ein Arbeitgeber sprach einer Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 14.3.2022 eine außerordentliche, fristlose Kündigung aus. Hilfsweise kündigte er ordentlich zum 30.9.2022. Die Arbeitnehmerin bestritt jedoch den Zugang dieses Kündigungsschreibens. Der Arbeitgeber konterte, dass 2 seiner Mitarbeiterinnen das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt hätten. Danach hätten sie es gemeinsam zur Post gebracht und dort am 26.7.2022 um 15.35 Uhr als Einwurf-Einschreiben, also mit Sendungsnummer, persönlich aufgegeben.

Nach dem Sendungsstatus sei das Schreiben mit der entsprechenden Sendungsnummer der Klägerin am 28.7.2022 zugestellt worden. Also bestehe ein Anscheinsbeweis für den Zugang. Das Bestreiten der Arbeitnehmerin reiche nicht aus, um diesen zu erschüttern. Die Arbeitnehmerin blieb standhaft und erhob Kündigungsschutzklage.

Mein Tipp: Wer schreibt, der bleibt

Im Fall musste der Dienstgeber den Zugang der Kündigung beweisen. Umgekehrt müssen natürlich auch Beschäftigte oft Fristen einhalten – Klage- oder Widerspruchsfristen. Diese Fristen beginnen mit dem Zugang der Kündigung oder mit dem Zugang eines Bescheids, Schreibens des*der Dienstgebenden zu laufen. Um beweisen zu können, dass sie die Frist eingehalten bzw. richtig berechnet haben, sollten sich die Beschäftigten immer den Zugang notieren. So können sie darlegen, dass sie die Frist eingehalten haben.

Einlieferungsbeleg reicht dem Gericht nicht als Zugangsnachweis

Das Urteil: Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 26.7.2022 außerordentlich fristlos oder hilfsweise ordentlich beendet hatte. Denn er konnte den Zugang der Kündigung nicht beweisen. Nach dem BAG setzt der Zugang der Kündigung voraus, dass eine Kündigung in die tatsächliche Verfügungsgewalt des*der Empfänger*in gelangt ist. Dazu gehört grundsätzlich auch der Briefkasten des*der Empfänger*in.

Zudem müsse für den*die Empfänger*in unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehen, von der Kündigung Kenntnis zu nehmen. Die Beweislast für den Zugang trägt der*die Arbeitgebende. Der Arbeitgeber im Fall konnte diese nicht erbringen. Auch ein Anscheinsbeweis liegt nicht vor. Der von dem Arbeitgeber vorgelegt Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens, aus dem neben dem Datum und der Uhrzeit der Einlieferung die jeweilige Postfiliale und die Sendungsnummer ersichtlich waren, sowie der im Internet abgefragte Sendungsstatus mit dem Hinweis, dass die Sendung zugestellt wurde, reichten dem BAG nicht für den Anscheinsbeweis.

Mein Tipp: Gehen Sie auf Nummer sicher

Machen Sie es besser, wenn Sie den Zugang sicherstellen wollen. Wählen Sie immer die persönliche Übergabe vor Zeugen oder die Zustellung per Gerichtsvollzieher*in.

§ 132 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch: Ersatz des Zugehens durch Zustellung

Eine Willenserklärung gilt auch dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist. Die Zustellung erfolgt nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.

Fazit: Informieren Sie Ihre Kolleg*innen

Es ist unglaublich, wie viele Schreiben immer noch – auch von Behörden – per einfacher Post oder Einwurf-Einschreiben versendet werden, obwohl hier der Zugang nicht sichergestellt werden kann. Geben Sie das Urteil an Ihre Kolleg*innen weiter. Wie in diesem Fall kann der mangelnde Zugangsnachweis im Einzelfall den Job retten. Müssen Sie beruflich etwas zustellen lassen, wählen Sie immer den sichersten Weg, also die persönliche Übergabe, die Zustellung per Gerichtsvollzieher*in oder wo möglich per Postzustellungsurkunde.

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Haben Sie Fragen zu Fristen? Dann schreiben Sie mir an: mav@mitbestimmung-heute.de

Autorin: Maria Markatou

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Ich habe Rechtswissenschaften in München studiert und bin seit 2004 als Rechtsanwältin zugelassen. Von 2004 bis 2017 war ich Partnerin der Kanzlei Löffler & Partner in München. Seit 2017 bin […]

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