SCHWERPUNKTTHEMA

Wenn Ihr Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen Ihrer Kolleginnen und Kollegen neu gestalten möchte

Nicht alles ist für die Ewigkeit. Das gilt auch für die Arbeitsbedingungen. In Zeiten des ständigen Wandels müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber immer wieder auch Arbeitsbedingungen anpassen. Ob sich die Betroffenen im jeweiligen Einzelfall tatsächlich immer in der vorgegebenen Zwangslage befinden, sei an dieser Stelle dahingestellt. Ich stelle in diesem Beitrag dar, womit Sie als Betriebsrat bzw. Betriebsrätin rechnen müssen, wenn der/die Arbeitgebende sich mit dem/der Betroffenen nicht auf eine einvernehmliche Lösung einigen kann.

Friederike Becker-Lerchner

16.05.2025 · 5 Min Lesezeit

Ziel einer Änderungskündigung

Die Änderungskündigung dient in erster Linie dazu, das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Es ist hier nicht das vordringliche Ziel des Arbeitgebenden, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Im Unterschied zu einer Beendigungskündigung zielt die Änderungskündigung auf eine inhaltliche Neugestaltung der Arbeitsbedingungen zu einem bestimmten Zeitpunkt ab. Das kann wie bei anderen Kündigungen auch mit sofortiger Wirkung oder zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist der Fall sein.

Wie jede andere Kündigung, so ist auch die Änderungskündigung als ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist und als außerordentliche Kündigung ohne Bindung an die Kündigungsfrist möglich.

Änderungskündigungen sind anderen Kündigungen vorzuziehen

Änderungskündigungen haben grundsätzlich Vorrang vor Beendigungskündigungen. Sie sind als sogenanntes milderes Mittel anerkannt. Denn im Gegensatz zu den anderen Kündigungen führen sie nicht sofort zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Diese Voraussetzungen gelten bei allen Änderungskündigungen

Eine Änderungskündigung ist von Ihrem Arbeitgeber wie jede andere Kündigung zu behandeln. Das heißt: Es gelten sämtliche Kündigungsbeschränkungen und Kündigungsverbote sowie der allgemeine Kündigungsschutz.

Prüfen Sie als Betriebsrat deshalb im Rahmen jeder Anhörung, ob eine von Ihrem Arbeitgeber anvisierte Kündigung überhaupt sozial gerechtfertigt ist (§ 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)). Am besten gehen Sie hier in den folgenden 2 Schritten vor:

1. Schritt: Es muss in jedem Fall ein dringender betrieblicher, personen- oder verhaltensbedingter Grund für die von Ihrem Arbeitgeber beabsichtigte Kündigung vorliegen.

2. Schritt: Prüfen Sie im Anschluss, ob Ihr Arbeitgeber dem bzw. der Betroffenen die am wenigsten unzumutbare Änderung des Arbeitsvertrags angeboten hat, die vom Betroffenen bzw. von der Betroffenen hingenommen werden muss. Hier steht also eine Zumutbarkeitsprüfung an.

 Mein Tipp: Beenden des Arbeitsverhältnisses darf immer nur das letzte Mittel sein

Ihr Arbeitgeber darf einer Kollegin bzw. einem Kollegen eine Änderungskündigung nur anbieten, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt, die jeweilige Person anderweitig im Betrieb weiterzubeschäftigen. Deshalb sollte Ihr Arbeitgeber bzw. Ihre Arbeitgeberin immer zunächst versuchen, eine einvernehmliche Lösung mit der jeweiligen Person zu finden. Ihr Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, der Betroffenen bzw. dem Betroffenen von sich aus eine zumutbare Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz anzubieten.

Das kann allerdings auch dann erfolgen, wenn die angebotene Arbeit mit schlechteren Bedingungen für den Betroffenen verbunden ist. Voraussetzung ist, dass die jeweilige Person die objektiv dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hat.

Wenn Ihr Arbeitgeber keine Alternative anbietet

Sollte Ihr Arbeitgeber einem Betroffenen keine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anbieten, obwohl es eine solche gibt oder Sie als Betriebsrat eine solche sehen, empfehlen Sie dem bzw. der Betroffenen, im Zweifel prüfen zu lassen, ob eine Kündigungsschutzklage sinnvoll ist. Denn in einem solchen Fall können die Betroffenen argumentieren, dass sie das Angebot eines neuen Arbeitsplatzes zumindest unter Vorbehalt angenommen hätten, wenn es erfolgt wäre.

Eindeutiges Angebot muss sein

Voraussetzung einer Änderungskündigung ist, dass ein eindeutiges Angebot vorliegt. Das heißt: Ihr Arbeitgeber muss Ihrem Kollegen ein Angebot machen. Auf dieses muss Ihr Kollege schlicht mit „Ja“ oder „Nein“ antworten können.

Anhörung: Grund und Angebot müssen Ihnen mitgeteilt werden

Als Betriebsrat müssen Sie auch vor jeder Änderungskündigung angehört werden (§ 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Dabei muss Ihr Arbeitgeber Ihnen im Rahmen des Anhörungsverfahrens auch den Grund der Kündigung sowie das Angebot mit den neuen Arbeitsbedingungen mitteilen.

So gehen Sie als Betriebsrat Schritt für Schritt richtig vor:

1. Schritt: Bestehende Arbeitsbedingungen klären und Änderung festlegen

Erfassen Sie zunächst genau die bestehenden Arbeitsbedingungen des Kollegen. Lassen Sie sich im Anschluss von Ihrem Arbeitgeber darlegen, wie die neuen geänderten Arbeitsbedingungen aussehen sollen und welche Ziele er sich von der Änderung erhofft.

Es muss in jedem Fall ein dringender betrieblicher, personen- oder verhaltensbedingter Grund für die von Ihrem Arbeitgeber beabsichtigte Kündigung vorliegen (= Sozialwidrigkeitsprüfung).

2. Schritt: Berücksichtigung der Interessen des Kollegen

Überprüfen Sie, ob Ihr Arbeitgeber bei den angestrebten Veränderungen auch die Interessen Ihres betroffenen Kollegen ausreichend berücksichtigt hat.

Prüfen Sie zudem, ob Ihr Arbeitgeber dem betroffenen Kollegen die am wenigsten unzumutbare Änderung des Arbeitsvertrags angeboten hat, die von diesem hingenommen werden muss.

Ihre mögliche Beteiligung als Betriebsrat

Berücksichtigen Sie außerdem stets, dass sich Ihr Beteiligungsrecht bei einer Änderungskündigung unter Umständen nicht in der Anhörung erschöpft.

Plant Ihr Arbeitgeber mit der Änderung der Arbeitsbedingungen

  • eine Versetzung des Kollegen an einen anderen Arbeitsplatz,
  • soll er in einem anderen Betrieb eingestellt werden oder
  • in eine andere Vergütungsgruppe umgruppiert werden,

haben Sie ein Mitwirkungsrecht nach § 99 BetrVG – vorausgesetzt, Ihr Arbeitgeber beschäftigt regelmäßig mehr als 20 volljährige Arbeitnehmer. Folge dessen ist, dass Ihr Arbeitgeber auf Ihre Zustimmung angewiesen ist.

Das sind die 3 wichtigsten Reaktionsmöglichkeiten des betroffenen Kollegen

Erhält ein Kollege eine Änderungskündigung, hat er 3 Reaktionsmöglichkeiten:

1. Vorbehaltlose Annahme: Nimmt ein Kollege das Änderungsangebot vorbehaltlos an, wird er nach Ablauf der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis zu den neuen Bedingungen fortsetzen. Ihre Bedenken bzw. Ihr Widerspruch werden in diesem Fall gegenstandslos.

2. Ablehnung: Der Betroffene kann das Angebot vorbehaltlos ablehnen. Tut er das und widersprechen Sie zudem der Kündigung, hat er unter Umständen einen Weiterbeschäftigungsanspruch (§ 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG). Und zwar bis zum Abschluss des Kündigungsrechtsstreits. Dieser ist Voraussetzung für den Weiterbeschäftigungsanspruch.

3. Annahme unter Vorbehalt: Ihr Kollege kann das Angebot unter Vorbehalt annehmen und Änderungsschutzklage erheben (§ 4 Satz 2 KSchG). Fällt die Entscheidung zu seinen Gunsten aus, werden die früheren Bedingungen wiederhergestellt (§ 8 KSchG).

Unterliegt Ihr Kollege im Änderungsschutzverfahren, arbeitet er zu den neuen Bedingungen weiter. Nimmt Ihr Kollege unter Vorbehalt an, werden Ihre Bedenken bzw. wird Ihr Widerspruch im Änderungsschutzprozess eine wichtige Rolle spielen.

! Achtung: Ihre Reaktion kann sehr wichtig sein

Solange Sie als Betriebsrat einer Versetzung, Eingruppierung oder Umgruppierung nicht zugestimmt haben bzw. Ihre Zustimmung nicht durch das Arbeitsgericht ersetzt wurde, darf Ihr Arbeitgeber die Vertragsänderungen nicht umsetzen.

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]

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