Das ist der Unterschied zwischen freiwilligen und erzwingbaren Betriebsvereinbarungen
Die beiden Arten von Betriebsvereinbarungen, nämlich die erzwingbaren Betriebsvereinbarungen (§ 77 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)) und die sogenannten freiwilligen Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG, unterscheiden sich vor allem dadurch, dass Sie als Betriebsrat erzwingbare Betriebsvereinbarungen, wie der Name bereits sagt, durchsetzen können. Das funktioniert, wenn Sie keine Einigung erzielen, über die Einigungsstelle (§ 76 BetrVG). Das heißt für Sie als Betriebsrat: Bei erzwingbaren Betriebsvereinbarungen entscheiden Sie mit. Ihr Arbeitgeber kann keine Maßnahme ohne Ihre Zustimmung bzw. einen entsprechenden Spruch der Einigungsstelle durchsetzen.
Beispiele für typische erzwingbare Betriebsvereinbarungen
- soziale und sonstige Maßnahmen i. S. d. § 87 Abs. 1 BetrVG,
- Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich von Belastungen am Arbeitsplatz nach § 91 BetrVG,
- Personalfragebogen nach § 94 BetrVG,
- Auswahlrichtlinien bei personellen Maßnahmen nach § 95 BetrVG,
- Einführung der Berufsbildung nach § 97 Abs. 2 BetrVG,
- Auswahl der Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen nach § 98 BetrVG,
- personelle Maßnahmen bei Betriebsräten und anderen geschützten Personen (§ 103 BetrVG),
- Auskunftsansprüche des Wirtschaftsausschusses (§ 109 BetrVG) oder
- Sozialpläne (§§ 112, 112a BetrVG).
Was in freiwilligen Betriebsvereinbarungen geregelt werden kann
In freiwilligen Betriebsvereinbarungen sind die nicht mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten geregelt. Eine freiwillige Betriebsvereinbarung kann im Gegensatz zu einer erzwingbaren nicht zwangsweise, das heißt nicht gegen den Willen von Ihnen oder Ihres Arbeitgebers, durchgesetzt werden. Sie haben sich im Zweifel über den Inhalt zu einigen.
Nach § 88 BetrVG können in freiwilligen Betriebsvereinbarungen vor allem folgende Punkte geregelt werden:
- zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen,
- Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes,
- die Errichtung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist,
- Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung,
- Maßnahmen zur Integration ausländischer Arbeitnehmer sowie zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb.
Darüber hinaus werden in den folgenden Themengebieten häufig freiwillige Betriebsvereinbarungen geschlossen:
- Freistellung von Betriebsratsmitgliedern (§ 38 Abs. 1 BetrVG),
- Regelungen des Beschwerdeverfahrens (§ 86 BetrVG),
- interne Stellenausschreibungen (§ 93 BetrVG),
- Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG),
- Datenschutz,
- Mitarbeiterbeteiligungen oder
- Entgeltumwandlungen.
Voraussetzung ist immer eine freiwillige Einigung zwischen Ihnen als Betriebsrat und Ihrem Arbeitgeber. Kommt diese nicht zustande, kann die Regelung nicht erzwungen werden. Sie als Betriebsrat haben kein Initiativrecht. Die Anrufung der Einigungsstelle kommt nicht in Betracht.
Diese rechtlichen Rahmenbedingungen freiwilliger Betriebsvereinbarungen sollten Sie kennen
Auch für freiwillige Betriebsvereinbarungen gelten rechtliche Rahmenbedingungen, die Sie und Ihr Arbeitgeber beachten müssen:
- Auch eine freiwillige Betriebsvereinbarung ist eine Betriebsvereinbarung und als solche natürlich unmittelbar und zwingend anzuwenden. Sie ist, wenn Sie und Ihr Arbeitgeber diese wirksam abgeschlossen haben, rechtlich bindend (§ 77 Abs. 4 BetrVG).
- Wie bei allen anderen Betriebsvereinbarungen auch: Freiwillige Betriebsvereinbarungen entfalten ihre Wirkung ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens. Fehlt eine konkrete Zeitangabe, tritt die Betriebsvereinbarung am Tag der Unterzeichnung in Kraft.
- Freiwillige Betriebsvereinbarungen kommen durch einen gemeinsamen Beschluss von Ihnen und Ihrem Arbeitgeber zustande (§ 77 Abs. 2 BetrVG). Das heißt für Sie als Betriebsrat: Sie haben einen entsprechenden Beschluss im Gremium zu fassen. Ohne einen solchen ist eine entsprechende Betriebsvereinbarung von vornherein unwirksam.
- Betriebsvereinbarungen sind schriftlich abzuschließen (§ 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Das gilt natürlich auch für freiwillige Betriebsvereinbarungen.
- Betriebsvereinbarungen können inzwischen auch digital abgeschlossen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings eine qualifizierte elektronische Signatur.
- Bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen gilt das Günstigkeitsprinzip. Das heißt: Durch eine vertragliche Abrede kann nur zugunsten Ihrer Kollegen von den Regelungen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung abgewichen werden.
- Das Scheitern einer Einigung führt grundsätzlich dazu, dass die freiwillige Betriebsvereinbarung nicht zustande kommt. Etwas anderes gilt nur, wenn Ihr Arbeitgeber und Sie als Betriebsrat gemeinsam das Tätigwerden der Einigungsstelle beantragen und Sie beide mit dem von einer Einigungsstelle vorgeschlagenen Verfahren einverstanden sind (§ 76 Abs. 6 Satz 1 BetrVG).
- Eine mögliche Nachwirkung muss bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen ausdrücklich vereinbart werden. Schließlich wirkt eine freiwillige Betriebsvereinbarung nicht kraft Gesetzes nach.
Diese Grenzen sollten Sie kennen
Freiwillige Betriebsvereinbarungen sind nur innerhalb der Schranken der Gesetze und bestehender Tarifverträge erlaubt. Eine Betriebsvereinbarung, unabhängig davon, ob sie freiwillig oder erzwingbar ist, darf nicht gegen zwingende gesetzliche Regeln wie Gesetze oder Verordnungen verstoßen. Das gilt vor allem für einen möglichen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB), die guten Sitten (§ 138 BGB) oder die vertrauensvolle Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG).
Durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung dürfen Ihr Arbeitgeber und Sie zudem nicht in den Bereich der privaten Lebensführung Ihrer Kolleginnen und Kollegen eindringen. Unzulässig sind deshalb zum Beispiel auch Regelungen über ein absolutes Verbot der Nebenbeschäftigung. Auch eine Verpflichtung zur Teilnahme an Betriebsfeiern oder Betriebsausflügen ist nicht erlaubt.
Gesetzes- und Tarifvorrang achten
Wie bei erzwingbaren Betriebsvereinbarungen gilt auch bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen: Gesetzliche Regelungen haben grundsätzlich Vorrang vor betrieblichen. Gesetzliche und tarifliche Regelungen (§ 77 Abs. 3 BetrVG) sind deshalb immer einzuhalten.
Argumentieren Sie mit der Rechtsklarheit
Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitgeber den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung für unnötig und zu zeitaufwendig halten. In solchen Fällen ist Ihre Argumentationsstärke gefragt. Denn viele freiwillige Betriebsvereinbarungen sind für Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Belegschaft von Vorteil. Da sie rechtlich bindend sind, kann Ihr Arbeitgeber nicht spontan neue Regelungen für die entsprechenden Sachverhalte schaffen.
Müssen Sie Ihren Arbeitgeber vom Abschluss einer Betriebsvereinbarung überzeugen, argumentieren Sie ihn mit dem Hinweis, dass Sie mit einer Betriebsvereinbarung Rechtsklarheit schaffen. Zudem schaffen Sie eine Regelung, die automatisch für alle bzw. eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gilt, sodass Ihr Arbeitgeber nicht zeitaufwendige Einzelregelungen schaffen muss.