Wahlvorstand erlässt Wahlausschreiben
Der Fall: In einem Gemeinschaftsbetrieb (Bildung eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen) mit ca. 77 Arbeitnehmern wurde am 16.5.2022 ein neuer Betriebsrat gewählt. Der vom vorherigen Betriebsrat bestellte Wahlvorstand hatte am 24.3.2022 ein Wahlausschreiben unter Angabe der Firmenadresse erlassen. In diesem wies er darauf hin, dass Einwände gegen die Wählerliste vor Ablauf der 3 Tage seit Aushang des Wahlausschreibens schriftlich einzulegen seien. Als Stichtag wurde der 25.4.2022 genannt. Als letzter Termin zur Einreichung von Wahlvorschlägen wurde der 6.5.2022 genannt. Beim Wahlvorstand gingen keine Einsprüche gegen die Wählerliste ein.
Wahlvorstand sammelt Stützunterschriften
Daraufhin sammelte der Wahlvorstand, dem auch der frühere Betriebsratsvorsitzende angehörte, am 6.5.2022 ab 10 Uhr 16 Stützunterschriften für eine Wahlvorvorschlagsliste, auf der 8 Bewerber aufgeführt waren. Zwischen 14.30 Uhr und 15 Uhr wurde der Wahlvorschlag am selben Tag für gültig anerkannt und bekannt gegeben.
Am 16.5.2022 folgte die Wahlversammlung. Am 20.5.2022 fand die öffentliche Stimmauszählung statt. Die Namen der gewählten Betriebsratsmitglieder wurden am 30.5.2022 bekannt gegeben.
Die Arbeitgeberinnen fochten die Wahl an
Die beiden Arbeitgeberinnen und Trägerinnen des Gemeinschaftsbetriebs haben die Wahl daraufhin angefochten. Sie waren der Meinung, dass das Wahlausschreiben fehlerhafte Angaben enthielt. Dabei stellten sie darauf ab, dass der Vorgänger-Betriebsratsvorsitzende im Zusammenhang mit dem Sammeln von Stützunterschriften als Mitglied des Wahlvorstands unter Missachtung der Neutralitätspflicht auf einen Arbeitnehmer eingewirkt habe. Darüber hinaus hätte er nur für sich selbst um Stützunterschriften werben dürfen.
Ein weiterer Punkt, den die beiden monierten, war, dass die bereits am Nachmittag des 6.5.2022 ausgehängte Liste mit 8 Bewerbern vor Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist zur Einreichung von Wahlvorschlägen und damit auch zu Unrecht verfrüht bekannt gegeben wurde. Durch die verfrühte Bekanntmachung seien weitere Wahlvorschläge verhindert worden.
Der Betriebsrat wehrte sich und beantragte, das Begehren der Arbeitgeberinnen abzuweisen.
BAG weist Entscheidung an das LAG zurück
Das Arbeitsgericht gab dem Antrag der Arbeitgeberinnen statt. Es erklärte die Betriebsratswahl für unwirksam. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen ging der Betriebsrat mit einer Beschwerde vor dem BAG vor.
BAG: Wahl nicht wegen vorzeitigem Aushang unwirksam
Die Entscheidung: Das Gericht entschied, dass die Wahl nicht wegen eines Aushangs der Wahlvorschlagsliste vor Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist für Wahlvorschläge für unwirksam zu erklären sei. Die Richter stellten in ihrer Begründung klar, dass die Wahl grundsätzlich wegen eines Verstoßes gegen die wesentlichen Wahlvorschriften angefochten werden könne (§ 19 Abs. 1 und 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Dies gelte allerdings nicht, wenn der Verstoß das Wahlergebnis nicht beeinflussen könne oder geändert habe.
§ 36 Abs. 5 Satz 3 Wahlordnung sieht vor, dass der Wahlvorstand die Liste nach Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist in gleicher Weise wie das Wahlausschreiben bekannt zu machen habe. Maßgeblich für die Mindestfrist ist § 14a Abs. 3 Satz 2 1. HS BetrVG. Danach sind Wahlvorschläge bis eine Woche vor der Wahlversammlung zu äußern.
Eine Regelung dazu, dass die Bekanntmachung vor Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist strikt untersagt sei, fehlt. Die Richter wiesen zudem darauf hin, dass die Regelung dazu führe, dass der Wahlvorstand nach Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist dazu verpflichtet sei, die anerkannten Wahlvorschläge bekannt zu geben. Daraus folge jedoch nicht, dass es ihm zugleich verboten sei, einen Wahlvorschlag vorzeitig zu veröffentlichen.