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So prüfen Sie, ob ein wirksamer Betriebsratsbeschluss vorliegt

Als Betriebsrat wirken Sie im Interesse Ihrer Kolleginnen und Kollegen an vielen Entscheidungen innerhalb Ihres Betriebs mit. Grundlage dafür ist in aller Regel, dass innerhalb Ihres Betriebsratsgremiums ein Beschluss gefasst wird, etwa dazu, die Zustimmung zu einer beabsichtigten Neueinstellung eines Arbeitnehmers zu verweigern (§ 99 Abs. 2 BetrVG). Ist der Arbeitgeber mit Ihrer Auffassung nicht einverstanden, bezweifelt er gern schon einmal die ordnungsgemäße – und nur dann wirksame – Beschlussfassung des Betriebsrats. Lesen Sie, wie Sie sich davor schützen können.

Friederike Becker-Lerchner

01.09.2024 · 4 Min Lesezeit

Nahezu alle Entscheidungen im Betriebsrat erfolgen durch Beschluss des Gremiums. Diese werden grundsätzlich während einer Betriebsratssitzung gefasst. Wichtig dabei ist, dass Sie sehr sorgfältig darauf achten, dass ein solcher Beschluss auch wirksam ist. Sonst geben Sie der Unternehmensleitung nur eine gute Vorlage dazu, Ihre Arbeit auszuhebeln.

Die Rechtsprechung billigt Arbeitgebern einen Anspruch auf Überlassung von Protokollauszügen und Einladungen zu Betriebsratssitzungen zu, um die Wirksamkeit der Beschlüsse zu überprüfen, soweit dies erforderlich ist. Sie sollten sich daher darauf einstellen, dass insbesondere bei kostenauslösenden Beschlüssen oder die Unternehmensleitung sonst belastenden Maßnahmen diese Unterlagen angefordert werden, um mit der Lupe zu schauen. Daher lohnt es sich für Sie besonders, auf die formell einwandfreie Beschlussfassung zu achten.

Mein Tipp: Dokumentation ist wichtig
Stellen Sie sowohl die ordnungsgemäße Einladung als auch die Beschlussfähigkeit ausdrücklich zu Beginn der Sitzung fest und protokollieren Sie diese Feststellungen.

Unwirksame Beschlüsse bergen das Risiko langfristiger und nervenaufreibenden Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber in sich.

Beispiel: Fehler gefährden die Wirksamkeit
Der Betriebsrat beschließt, die Kollegin Anja M. zu einer Schulung zu schicken. Allerdings war der Betriebsrat nicht beschlussfähig. Außerdem stand das Thema nicht auf der Tagesordnung der Betriebsratssitzung. Als der Betriebsrat bei der Geschäftsleitung wegen der Übernahme der Schulungskosten nachsucht, verlangt diese die Vorlage eines Protokollauszugs der entsprechenden Betriebsratssitzung. Anhand dessen stellt sie fest, dass zu der Sitzung nicht ordnungsgemäß geladen war und der Beschluss daher nicht wirksam ist. Die Übernahme der Schulungskosten verweigert die Geschäftsleitung allein mit diesem Argument.

In § 29 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist genau beschrieben, worauf Sie bei der Einladung achten müssen. Lesen Sie den Wortlaut am besten selbst:

§ 29 Abs. 2 BetrVG: Einberufung der Sitzungen
(2) Die (…) Sitzungen beruft der Vorsitzende des Betriebsrats ein. Er setzt die Tagesordnung fest und leitet die Verhandlung. Der Vorsitzende hat die Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Dies gilt auch für die Schwerbehindertenvertretung sowie für die Jugend- und Auszubildendenvertreter, soweit sie ein Recht auf Teilnahme an der Betriebsratssitzung haben. Kann ein Mitglied des Betriebsrats oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung an der Sitzung nicht teilnehmen, soll es dies unter Angabe der Gründe unverzüglich dem Vorsitzenden mitteilen. Der Vorsitzende hat für ein verhindertes Betriebsratsmitglied oder für einen verhinderten Jugend- und Auszubildendenvertreter das Ersatzmitglied zu laden.

Das Gesetz macht keine konkreten Angaben dazu, in welcher Form und mit welcher Frist der Vorsitzende die Sitzung des Betriebsrats einberufen soll. Sie können diese Details in der Geschäftsordnung des Betriebsrats regeln. Wählen Sie als Formvorgabe „in Textform“. Dann ist eine Einladung per E-Mail möglich und damit einfach dokumentierbar. Wählen Sie kurze Ladungsfristen, weil Sie z. B. bei einer Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nur 3 Tage Zeit zur Stellungnahme haben.

Mein Tipp: Schaffen Sie klare Verhältnisse
Wenn Sie per E-Mail einladen, sollten Sie Missverständnisse vermeiden. Schreiben Sie in die Betreffzeile „Einladung zur Betriebsratssitzung am XXXX um XXXX Uhr“ o. Ä. Machen Sie in der Signatur deutlich, dass der bzw. die Betriebsratsvorsitzende die E-Mail versendet. Verwenden Sie das E-Mail-Konto des Betriebsrats als Absenderadresse.

Wenn Tagesordnungspunkte fehlen

Ein typisches Problem in der Praxis: Sie haben bereits zur Betriebsratssitzung eingeladen. Erst kurz vor oder sogar erst während der Sitzung stellt sich heraus, dass Sie noch einen wichtigen Beschluss treffen müssen. Dumm nur – in der Tagesordnung taucht der gar nicht auf. Können Sie trotzdem rechtswirksam beschließen? Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Thüringen kann eine Ladung, der eine Tagesordnung gefehlt habe, durch Beschluss in der Betriebsratssitzung geheilt werden, wenn

  • die Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder des Betriebsrats im Übrigen ordnungsgemäß geladen wurden,
  • der Betriebsrat beschlussfähig i. S. d. § 33 Abs. 2 BetrVG ist
  • und die Anwesenden einstimmig beschließen, über das Thema zu beraten und abzustimmen.

Es sei weder erforderlich, dass an dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen, noch, dass über die Tagesordnung gesondert abgestimmt wurde. Vielmehr sei es ausreichend, dass niemand der Beschlussfassung über den neuen Tagesordnungspunkt widerspreche (LAG Thüringen, 24.10.2023, Az. 1 TaBV 25/21). Achten Sie dann unbedingt darauf, dass alle oben genannten Punkte tatsächlich gegeben und vor allem im Protokoll niedergelegt sind. Das Protokoll hat im Streitfall eine hohe Beweiskraft.

Achten Sie auf Beschlussfähigkeit und Mehrheiten

Die dafür maßgeblichen Vorschriften finden sich in § 33 BetrVG. Grundsätzlich kommt es auf die Mehrheit der anwesenden Betriebsratsmitglieder an. Enthaltungen wirken daher genauso wie Nein-Stimmen. Vorsicht: Das kennen Sie z. B. aus Vereinen unter Umständen anders. Dort kommt es – wenn die Satzung das nicht anders regelt – auf die abgegebenen Stimmen an, wobei Enthaltungen als nicht abgegeben gelten. Das BetrVG regelt das anders.

In einigen Fällen ordnet das Gesetz sogar an, dass die absolute Mehrheit der Stimmen der Betriebsratsmitglieder (also nicht nur der Anwesenden) erforderlich ist, und zwar bei:

  • Rücktritt des Betriebsrats (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG)
  • Übertragung von Aufgaben zur selbstständigen Erledigung auf Ausschüsse (§§ 27, 28 BetrVG)
  • Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen (§ 28a BetrVG)
  • Erlass der Geschäftsordnung (§ 36 BetrVG)
  • Beauftragung des Gesamtbetriebsrats zur Übernahme einer Angelegenheit (§ 50 Abs. 2 BetrVG)
  • Übertragung von Aufgaben des Wirtschaftsausschusses auf einen Ausschluss des Betriebsrats (§ 107 Abs. 3 BetrVG)

§ 33 BetrVG: Beschlüsse des Betriebsrats
(1) Die Beschlüsse des Betriebsrats werden, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst. Betriebsratsmitglieder, die mittels Video- und Telefonkonferenz an der Beschlussfassung teilnehmen, gelten als anwesend. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt.
(2) Der Betriebsrat ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt; Stellvertretung durch Ersatzmitglieder ist zulässig.
(3) Nimmt die Jugend- und Auszubildendenvertretung an der Beschlussfassung teil, werden die Stimmen der Jugend- und Auszubildendenvertreter bei der Feststellung der Stimmenmehrheit mitgezählt.

Nutzen Sie die folgende Checkliste, um sicherzustellen, dass die Beschlüsse Ihres Betriebsrats wirksam sind.

Checkliste: Liegt ein wirksamer Betriebsratsbeschluss vor?

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]