ARBEITSRECHT

Sexuelle Belästigung im Arbeitsverhältnis ist ein wichtiger Kündigungsgrund

Nutzt ein Vorgesetzter, eine Führungskraft das Abhängigkeitsverhältnis zu den Mitarbeitern aus, um diese zu (sexuell) zu belästigen, führt dies meist zu einer wirksamen fristlosen Kündigung. Und das ist auch gut so. Denn werden Täter nicht gestoppt, treiben sie oft jahrelang ihr Unwesen (Arbeitsgericht Berlin, 27.3.2025, Az. 58 Ca 6242/23 u. a.).

Maria Markatou

07.06.2025 · 3 Min Lesezeit

Der Fall: Ein Rabbiner war seit Anfang 2001 in der Jüdischen Gemeinde Berlin als angestellter Rabbiner tätig. Am 21.5.2023 wurden der Arbeitgeberin Vorwürfe über sexuelle Gewalt und Manipulationen zugetragen. Die Arbeitgeberin kündigte dem Rabbiner am 1.6.2023 fristlos. Der Beschäftigte klagte gegen die Kündigung. Es sei zu sexuellen Kontakten gekommen, allerdings einvernehmlich und ohne Druck. Die Gemeinde erhob Widerklage gegen den Beschäftigten auf Zahlung einer Geldforderung.

Info: Widerklage – Wie du mir, so ich dir

Widerklage ist eine Klage, die in einem zwischen Kläger und Beklagtem rechtshängigen Rechtsstreit vom Beklagten gegen den Kläger erhoben wird. Der Beklagte ist dann der Widerkläger, der Kläger der Widerbeklagte. Der Widerkläger macht Ansprüche gegen den Widerbeklagten geltend, die zu den Ansprüchen aus der ursprünglichen Klage in einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

Widerklage wird abgewiesen, Kündigung ist wirksam

Das Urteil: Die Widerklage der Gemeinde wurde abgewiesen. Dafür entschieden die Richter aber, dass die Kündigung des Rabbiners wirksam ist. Nach der Anhörung der von der Gemeinde benannten Zeuginnen steht für die Richter fest, dass der Beschäftigte sexuell belästigt hatte. Er ist der Frau in einer „heiltherapeutischen Sitzung“ in seiner Eigenschaft als Rabbiner gegenübergetreten und hat vorgegeben, sie durch ein Ritual „reinigen“ zu können. Es folgte ein von ihm herbeigeführter Zungenkuss. Das ist eine schwere Pflichtverletzung. Die Arbeitgeberin konnte hier ohne Abmahnung fristlos aus wichtigem Grund kündigen.

Wichtig: Opferschutz großschreiben

Sie sehen an diesem Fall, wie wichtig es ist, dass sich Opfer öffnen und zeitnah erzählen, was ihnen widerfahren ist. Denn nur so können Täter schnell sanktioniert werden. Verweisen Sie daher immer wieder auf Ihre Sprechstunden und auf die Beschwerdestelle nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Nur wenn solche Vorfälle angezeigt werden, können effektive Gegenmaßnahmen ergriffen werden!

Fazit: Opfersicht entscheidet

Ein richtiges Urteil der Berliner Richter, gegen das beide Parteien aber noch Berufung einlegen können. Denken Sie beim Thema Belästigungen bitte immer daran, dass die Opfersicht entscheidet. Wenn das Opfer ein Verhalten nicht möchte, Stopp sagt oder signalisiert, muss das Gegenüber sofort aufhören – selbst wenn das Verhalten in dessen Augen „nicht so schlimm“ ist.

Sie sind anzuhören

Als Personalrat sind Sie vor jeder Kündigung anzuhören. Hier ist es besonders wichtig, die Abwägung nachzuvollziehen, ob wirklich ein Grund vorliegt, der die sofortige Auflösung berechtigt, oder ob es nicht doch gewichtige Verteidigungsaspekte aufseiten des Beschäftigten gibt. In einem Fall wie dem dargestellten ist das sicher schwierig. Aber es kann ja z. B. einem Beschäftigten auch mal die Hand ausrutschen. Das klingt erst mal nach Gewalt. Der Beschäftigte kann vorher aber auch monatelang geärgert, provoziert und gemobbt worden sein, bis es zur Eskalation kam, und dann sieht die Sache schon anders aus. Deswegen ist es wichtig, dass Sie immer alles gut hinterfragen.

Was tun bei einer Kündigung?

Nach Erhalt einer Kündigung sollte Ihr Kollege mit Ihnen sprechen und Ihre Sicht der Dinge erfahren. Auf alle Fälle muss er die 3-Wochen-Frist für die Klage gegen eine Kündigung einhalten (beginnend ab Zugang der schriftlichen Kündigung). Sonst gilt die Kündigung als rechtswirksam. Die Klagefrist wird gewahrt, wenn die Kündigungsschutzklage vor Ablauf des letzten Tages der Frist bei Gericht eingeht. Ihr Kollege muss sich hier nicht anwaltlich vertreten lassen. Er sollte dies aber, es ist oft zielführender, als sich selbst vor Gericht zu vertreten. Die Dienststelle wird sicher einen erfahrenen Juristen mit der gerichtlichen Vertretung beauftragen. Beschäftigte sollten hier auf Augenhöhe vertreten sein.

 Mein Tipp: Auf Erfahrung achten

Wenn Ihr Kollege einen Anwalt beauftragt, sollte er da­rauf achten, dass dieser auch Erfahrung mit dem öffentlichen Dienstrecht hat. In der freien Wirtschaft ticken die Uhren etwas anders, nicht alles lässt sich 1:1 übertragen.

Wie hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

0
0

401
1
124
Ich habe Rechtswissenschaften in München studiert und bin seit 2004 als Rechtsanwältin zugelassen. Von 2004 bis 2017 war ich Partnerin der Kanzlei Löffler & Partner in München. Seit 2017 bin […]

Ausgaben

Ausgaben

Personalrat aktuell

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis