SCHWERPUNKTTHEMA

Problem unserer Zeit: Was tun gegen Extremismus?

Seit Anfang Mai 2025 ist es amtlich, dass die AfD gesichert rechtsextrem ist, am 13.5.2025 hat Alexander Dobrindt die Reichsbürger Gruppe „Königreich Deutschland“ verbieten lassen, das Bündnis Sahra Wagenknecht schoss hoch auf zweistellige Prozentwerte (auch wenn der Einzug in den Bundestag nicht geklappt hat). Immer mehr Menschen radikalisieren sich, das macht vor dem öffentlichen Dienst nicht halt. Was also tun gegen Extremismus?

Maria Markatou

07.06.2025 · 6 Min Lesezeit

Wie wird Extremismus definiert?

Ziehen wir unsere rechtliche und gesellschaftliche Basis, das deutsche Grundgesetz (GG), heran, dann ist eine Person extremistisch, wenn sie die Grundwerte des GG innerlich ablehnt. Die verfassungsfeindliche Gesinnung muss sich aber in Handlungen manifestieren (Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 21 Abs. 2, 3 GG). Das heißt, erst wenn etwas aktiv geschieht, zählt es als Extremismus. Eine reine Geisteshaltung wird grundsätzlich toleriert, solange nicht Rechtsgüter anderer gefährdet werden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 24.3.2001, Az. 1 BvQ 13/01). Grundsätzlich deswegen, weil im öffentlichen Dienst engere Maßstäbe gelten.

Die Sachlage im öffentlichen Dienst

Der Staat, die Verwaltung als Arbeitgeber: Natürlich muss ich als Beschäftigter oder Beamter dessen Werte repräsentieren. Aber: Auch die Meinungsfreiheit ist grundrechtlich abgesichert (Art. 5 GG), und meinungsfrei sind auch Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Diese Interessen müssen in Einklang gebracht werden. Es geht um Freiheit auf der einen Seite und Loyalität auf der anderen Seite.

Beamte und Tarifbeschäftigte haben eine Pflicht zur Verfassungstreue

Bei Beamten und Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes besteht aufgrund der Staatsnähe eine Pflicht zur Verfassungstreue.

Info: „Radikalenbeschluss“ – Bundesverfassungsgericht spricht Machtwort

Das Bundesverfassungsgericht hat dies im sog. Radikalenbeschluss auch in Worte gefasst:

„Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren.

Vom Beamten wird erwartet, dass er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt. Politische Treuepflicht bewährt sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen ist, dass der Beamte Partei für ihn ergreift.“ (BVerfG, 22.5.1975, Az. 2 BvL 13/73)

Beamte sind stärker verpflichtet als Tarifbeschäftigte. Denn Beamte müssen sich dazu bekennen, dass sie durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des GG und für deren Erhaltung eintreten werden. Bei politischer Betätigung haben sie diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben (§ 60 Bundesbeamtengesetz, § 33 Beamtenstatusgesetz). Dazu passt Extremismus nicht. Für Tarifbeschäftigte gilt § 3 Abs. 1.1 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – Verwaltung (TVöD-V) bzw. § 3 Abs. 1 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L):

§ 3 Abs. 1 TVöD, § 3 TV-L: Allgemeine Arbeitsbedingungen

„Die Beschäftigten müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“

Verfassungsfeindlichkeit und öffentliches Dienstverhältnis und Beamtenstatus schließen sich somit von vornherein gegenseitig aus. Das ist ganz klar und unbestritten.

Kernfunktionsträger sind dem Staat gegenüber besonders verpflichtet

Kernfunktionsträger sind

  • Beamte,
  • Soldaten,
  • Richter.

Ihnen sind hoheitliche Aufgaben und Befugnisse übertragen worden. Deswegen unterliegen sie einer besonderen politischen Treuepflicht, die auch als positive Verfassungstreue bezeichnet wird.

Für Lehrer und Erzieher gilt dies auch, da sie gesellschaftlich prägend arbeiten. Sie prägen das gesellschaftliche Bild unserer Kinder und damit unserer Zukunft. Diese Kernfunktionsträger müssen sich außerdienstlich genauso integer verhalten wie im Dienst.

Ist dies nicht der Fall, kommen Disziplinarmaßnahmen in Betracht:

  • Verweis,
  • Geldbuße,
  • Kürzung der Dienstbezüge,
  • Zurückstufung und
  • Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

Bei ganz geringen Verstößen kann auch eine Ermahnung angebracht sein. Das wird im Bereich Extremismus aber der Ausnahmefall sein.

Beispiel: Charakterliche Eignung und Restvertrauen entscheiden

Ein Polizeianwärter wurde aus dem Dienst entlassen, da er nicht die charakterliche Eignung dazu hatte. Er hatte sich sowohl sexistisch („Bist du geil?“) wie ausländerfeindlich („Kanake“) verhalten (Verwaltungsgericht Aachen, 26.2.2025, Az. 1 K 796/22).

Andererseits wird auch bei den Kernfunktionsträgern genau hingesehen. Besteht ein Restvertrauen, können diese im Dienst verbleiben. So geschehen bei 2 Polizisten, die sich jahrelang rassistische Witze zugeschickt hatten. Das reichte nicht für die Entfernung aus dem Dienst (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, 24.4.2025, Az. 3 LD 14/23 und 3 LD 12/23).

Denken Sie auch an den Fall Lisa Pöttinger, Friday-for-Future-Aktivistin, die nicht zum Referendariat für das Lehramt zugelassen wird. Die politische Treue wird hier infrage gestellt.

Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind zwar weniger verpflichtet als Beamte, aber auch

Von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes wird nur diejenige politische Loyalität verlangt, die für die funktionsgerechte Amtsausübung unverzichtbar ist (sog. Funktionstheorie; Bundesarbeitsgericht (BAG), 12.5.2011, Az. 2 AZR 479/09). Das heißt, es entscheidet der Einzelfall – je mehr Verantwortung, desto mehr Verfassungstreue.

Auch hier kommen bei Verstößen Sanktionen in Betracht – von der Ermahnung über die Abmahnung bis hin zur Kündigung. Aber auch hier wird vor einer Sanktion, insbesondere einer Kündigung, abgewogen. So reichte ein mehrfaches Nachfragen nach der Herkunft, das aus dem Zusammenhang der Äußerungen rassistische Einstellungen erkennen ließ, nicht für eine Kündigung (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 14.10.2022, Az. 12 Sa 51/22).

In einem anderen Fall ging die ordentliche Kündigung aber durch: Das BAG hatte die ordentliche personenbedingte Kündigung eines im Druckzentrum der Finanzverwaltung tätigen Mitarbeiters bestätigt. Als Mitglied der NPD war er an dem Aufruf zu einer Demonstration beteiligt, die einen Volksaufstand zur Beseitigung des Staates unter Inkaufnahme von Toten befürwortete. Dies zeigte nach Ansicht des Gerichts, dass er das nach § 3 TV-L erforderliche Mindestmaß an Verfassungstreue nicht aufbringt und ungeeignet für seine Tätigkeit ist (BAG, 6.9.2012, Az. 2 AZR 372/11).

Es entscheidet der Einzelfall. In die Abwägung fließen mit ein:

  • Vorverhalten des Beschäftigten
  • Stellung
  • Intensität des Verhaltens

Prävention und Sensibilisierung als gutes Mittel gegen Extremismus in der Dienststelle

Bei Einstellung in den öffentlichen Dienst oder bei Aufnahme in das Beamtentum muss ein Bekenntnis zur Verfassungstreue abgelegt werden. Kontrolliert wird dies bis auf wenige Ausnahmen nicht. So gibt es z. B. in Mecklenburg-Vorpommern seit 2021 eine gesetzliche Regelung, wonach Verfassungsschutz und Polizei abgefragt werden, ob Anhaltspunkte für Zweifel an der Verfassungstreue eines künftigen Landesbeamten vorliegen (§ 12a Landesbeamtengesetz Mecklenburg-Vorpommern). Bundesweit wird dies aber nicht so gehandhabt. Deswegen kann es schon passieren, dass Extremisten eingestellt werden. Und natürlich kann es immer passieren, dass sich jemand im Laufe seines Lebens radikalisiert. Was können Sie hier tun?

Ein Mittel ist Sensibilisierung und Aufklärung. Schulungen, Workshops, der Besuch von Gedenkstätten können durchgeführt werden. Damit kann Menschen vor Augen gehalten werden, was Extremismus bedeutet und welche Auswirkungen Extremismus in der jüngeren Geschichte Europas hatte.

Beispiel: Gedenken und Aufklärung können helfen

Margot Friedländer ist am 9.5.2025 gestorben. Sie war eine Holocaust-Überlebende, die sich als Zeitzeugin engagierte. Regen Sie am Beispiel ihres Lebens an, in der Dienststelle aufzuzeigen, zu was Extremismus führt.

Fragen Sie Kollegen aus den alten Bundesländern, ob diese aus dem Leben in der ehemaligen DDR erzählen wollen. So kann den Menschen aufgezeigt werden, was wirklich hinter ihren Ideologien steckt.

Hiflreich sind immer klare Leitlinien und Verhaltenskodexe. Wenn klar ist, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht tolerabel sind, werden sie oft auch nicht ausgeübt. Auch als Personalratsgremium können Sie klarmachen, dass Sie gegen Extremismus in jeder Form sind, dass Sie für das einstehen, was die Väter des deutschen Grundgesetzes sichern wollten. Freiheit und Demokratie!

Mein Tipp: Sensibilisieren Sie Ihre Kollegen

Ein blöder Spruch ist noch weit von Extremismus entfernt, aber dennoch verletzend. Und es öffnet Türen. Wenn einer ungestraft einen Witz reißen darf, reiße ich morgen 2 und übermorgen 3 … Das können wir vermeiden!

Trauen Sie sich, etwas zu sagen

Es ist egal, aus welcher Richtung der Extremismus kommt – man muss ihn nicht tolerieren und man darf etwas sagen. So ist das im Rechtsstaat. Im Beschäftigungsverhältnis sollten Sie an das Hinweisgeberschutzgesetz denken. Sie dürfen Verstöße gegen geltendes Recht benennen, ohne dass Ihnen Repressalien drohen. Geben Sie das auch an Ihre Kollegen und Kolleginnen weiter.

Ich weiß sehr wohl, dass dies müßig scheint, dass es frustriert, sich mit Extremisten zu beschäftigen. Aber es geht um zu viel – es geht um unsere Freiheit, unsere Demokratie und auch um unsere Zukunft. Dafür lohnt es sich allemal, einzutreten! Und dazu fühle ich mich als Rechtsanwältin auch verpflichtet. Schließlich habe auch ich mich bei meiner Vereidigung verpflichtet, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren.

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Ich habe Rechtswissenschaften in München studiert und bin seit 2004 als Rechtsanwältin zugelassen. Von 2004 bis 2017 war ich Partnerin der Kanzlei Löffler & Partner in München. Seit 2017 bin […]

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