Wie wird Extremismus definiert?
Ziehen wir unsere rechtliche und gesellschaftliche Basis, das deutsche Grundgesetz (GG), heran, dann ist eine Person extremistisch, wenn sie die Grundwerte des GG innerlich ablehnt. Die verfassungsfeindliche Gesinnung muss sich aber in Handlungen manifestieren (Art. 9 Abs. 2, Art. 18, Art. 21 Abs. 2, 3 GG). Das heißt, erst wenn etwas aktiv geschieht, zählt es als Extremismus. Eine reine Geisteshaltung wird grundsätzlich toleriert, solange nicht Rechtsgüter anderer gefährdet werden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 24.3.2001, Az. 1 BvQ 13/01). Grundsätzlich deswegen, weil im öffentlichen Dienst engere Maßstäbe gelten.
Die Sachlage im öffentlichen Dienst
Der Staat, die Verwaltung als Arbeitgeber: Natürlich muss ich als Beschäftigter oder Beamter dessen Werte repräsentieren. Aber: Auch die Meinungsfreiheit ist grundrechtlich abgesichert (Art. 5 GG), und meinungsfrei sind auch Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Diese Interessen müssen in Einklang gebracht werden. Es geht um Freiheit auf der einen Seite und Loyalität auf der anderen Seite.
Beamte und Tarifbeschäftigte haben eine Pflicht zur Verfassungstreue
Bei Beamten und Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes besteht aufgrund der Staatsnähe eine Pflicht zur Verfassungstreue.
Beamte sind stärker verpflichtet als Tarifbeschäftigte. Denn Beamte müssen sich dazu bekennen, dass sie durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des GG und für deren Erhaltung eintreten werden. Bei politischer Betätigung haben sie diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben (§ 60 Bundesbeamtengesetz, § 33 Beamtenstatusgesetz). Dazu passt Extremismus nicht. Für Tarifbeschäftigte gilt § 3 Abs. 1.1 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – Verwaltung (TVöD-V) bzw. § 3 Abs. 1 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L):
Verfassungsfeindlichkeit und öffentliches Dienstverhältnis und Beamtenstatus schließen sich somit von vornherein gegenseitig aus. Das ist ganz klar und unbestritten.
Kernfunktionsträger sind dem Staat gegenüber besonders verpflichtet
Kernfunktionsträger sind
- Beamte,
- Soldaten,
- Richter.
Ihnen sind hoheitliche Aufgaben und Befugnisse übertragen worden. Deswegen unterliegen sie einer besonderen politischen Treuepflicht, die auch als positive Verfassungstreue bezeichnet wird.
Für Lehrer und Erzieher gilt dies auch, da sie gesellschaftlich prägend arbeiten. Sie prägen das gesellschaftliche Bild unserer Kinder und damit unserer Zukunft. Diese Kernfunktionsträger müssen sich außerdienstlich genauso integer verhalten wie im Dienst.
Ist dies nicht der Fall, kommen Disziplinarmaßnahmen in Betracht:
- Verweis,
- Geldbuße,
- Kürzung der Dienstbezüge,
- Zurückstufung und
- Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Bei ganz geringen Verstößen kann auch eine Ermahnung angebracht sein. Das wird im Bereich Extremismus aber der Ausnahmefall sein.
Denken Sie auch an den Fall Lisa Pöttinger, Friday-for-Future-Aktivistin, die nicht zum Referendariat für das Lehramt zugelassen wird. Die politische Treue wird hier infrage gestellt.
Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind zwar weniger verpflichtet als Beamte, aber auch
Von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes wird nur diejenige politische Loyalität verlangt, die für die funktionsgerechte Amtsausübung unverzichtbar ist (sog. Funktionstheorie; Bundesarbeitsgericht (BAG), 12.5.2011, Az. 2 AZR 479/09). Das heißt, es entscheidet der Einzelfall – je mehr Verantwortung, desto mehr Verfassungstreue.
Auch hier kommen bei Verstößen Sanktionen in Betracht – von der Ermahnung über die Abmahnung bis hin zur Kündigung. Aber auch hier wird vor einer Sanktion, insbesondere einer Kündigung, abgewogen. So reichte ein mehrfaches Nachfragen nach der Herkunft, das aus dem Zusammenhang der Äußerungen rassistische Einstellungen erkennen ließ, nicht für eine Kündigung (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 14.10.2022, Az. 12 Sa 51/22).
In einem anderen Fall ging die ordentliche Kündigung aber durch: Das BAG hatte die ordentliche personenbedingte Kündigung eines im Druckzentrum der Finanzverwaltung tätigen Mitarbeiters bestätigt. Als Mitglied der NPD war er an dem Aufruf zu einer Demonstration beteiligt, die einen Volksaufstand zur Beseitigung des Staates unter Inkaufnahme von Toten befürwortete. Dies zeigte nach Ansicht des Gerichts, dass er das nach § 3 TV-L erforderliche Mindestmaß an Verfassungstreue nicht aufbringt und ungeeignet für seine Tätigkeit ist (BAG, 6.9.2012, Az. 2 AZR 372/11).
Es entscheidet der Einzelfall. In die Abwägung fließen mit ein:
- Vorverhalten des Beschäftigten
- Stellung
- Intensität des Verhaltens
Prävention und Sensibilisierung als gutes Mittel gegen Extremismus in der Dienststelle
Bei Einstellung in den öffentlichen Dienst oder bei Aufnahme in das Beamtentum muss ein Bekenntnis zur Verfassungstreue abgelegt werden. Kontrolliert wird dies bis auf wenige Ausnahmen nicht. So gibt es z. B. in Mecklenburg-Vorpommern seit 2021 eine gesetzliche Regelung, wonach Verfassungsschutz und Polizei abgefragt werden, ob Anhaltspunkte für Zweifel an der Verfassungstreue eines künftigen Landesbeamten vorliegen (§ 12a Landesbeamtengesetz Mecklenburg-Vorpommern). Bundesweit wird dies aber nicht so gehandhabt. Deswegen kann es schon passieren, dass Extremisten eingestellt werden. Und natürlich kann es immer passieren, dass sich jemand im Laufe seines Lebens radikalisiert. Was können Sie hier tun?
Ein Mittel ist Sensibilisierung und Aufklärung. Schulungen, Workshops, der Besuch von Gedenkstätten können durchgeführt werden. Damit kann Menschen vor Augen gehalten werden, was Extremismus bedeutet und welche Auswirkungen Extremismus in der jüngeren Geschichte Europas hatte.
Hiflreich sind immer klare Leitlinien und Verhaltenskodexe. Wenn klar ist, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht tolerabel sind, werden sie oft auch nicht ausgeübt. Auch als Personalratsgremium können Sie klarmachen, dass Sie gegen Extremismus in jeder Form sind, dass Sie für das einstehen, was die Väter des deutschen Grundgesetzes sichern wollten. Freiheit und Demokratie!
Trauen Sie sich, etwas zu sagen
Es ist egal, aus welcher Richtung der Extremismus kommt – man muss ihn nicht tolerieren und man darf etwas sagen. So ist das im Rechtsstaat. Im Beschäftigungsverhältnis sollten Sie an das Hinweisgeberschutzgesetz denken. Sie dürfen Verstöße gegen geltendes Recht benennen, ohne dass Ihnen Repressalien drohen. Geben Sie das auch an Ihre Kollegen und Kolleginnen weiter.
Ich weiß sehr wohl, dass dies müßig scheint, dass es frustriert, sich mit Extremisten zu beschäftigen. Aber es geht um zu viel – es geht um unsere Freiheit, unsere Demokratie und auch um unsere Zukunft. Dafür lohnt es sich allemal, einzutreten! Und dazu fühle ich mich als Rechtsanwältin auch verpflichtet. Schließlich habe auch ich mich bei meiner Vereidigung verpflichtet, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren.