WICHTIGES URTEIL

Pro: „Junges Team“ ist diskriminierend

Manche Arbeitgebende wollen bewusst eine „Junge-Leute-Kultur“ im Unternehmen fördern. Nur laut sagen dürfen sie das wegen des Diskriminierungsverbots natürlich nicht. So kommt es vor, dass in Stellenanzeigen versucht wird, gewissermaßen „durch die Blume“, zu sagen, was nicht offen gesagt werden soll. Oder ist das etwa nur Einbildung?

Michael Tillmann

19.05.2025 · 1 Min Lesezeit

Der Fall: Ein 61-jähriger Diplomkaufmann, der viele Jahre im SAP-Bereich gearbeitet hatte, bewarb sich auf eine Stellenanzeige eines Nahrungsmittelkonzerns. Gesucht wurde ein „Mitarbeiter SAP-Anwendungsbetreuung (m/w/d)“. Als Karrierelevel war „Berufseinsteiger“ angegeben. Im Begleittext fand sich unter der Überschrift „Wir bieten Ihnen“ noch folgender Text: „Zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hoch motivierten Team in einem sehr interessanten und abwechslungsreichen Themenumfeld […]“ Die Bewerbung des nicht mehr ganz jungen Mannes wurde abschlägig beschieden. Daraufhin machte der Diplomkaufmann gegen den potenziellen Arbeitgeber Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gerichtlich geltend.

Der potenzielle Arbeitgeber verteidigte sich damit, dass sich die Formulierung „junges Team“ nur auf die Beschreibung des Arbeitsplatzes beziehe, nicht aber auf die Anforderungen an den Bewerber.

Die Entscheidung: Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg (27.5.2020, Az. 2 Sa 1/20) ließ der Firma diese „feinsinnige“ Argumentation nicht durchgehen. Durch die Stellenanzeige habe der klagende Bewerber Indizien bewiesen, die vermuten lassen, dass er wegen seines Alters nicht eingestellt wurde. Die beklagte Firma habe keine Tatsachen ausreichend vorgetragen oder bewiesen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen haben (§ 22 AGG). Dass die Formulierung „junges Team“ in diesem Zusammenhang nicht auch auf das Alter des Bewerbers bezogen sei, sei fernliegend. Die Information ergebe dann in der Stellenanzeige nämlich keinen Sinn, wenn sie rein beschreibend sei und nichts mit dem Bewerber zu tun habe.

Fazit: Stellenanzeigen sind im Zusammenhang zu lesen

Das LAG Nürnberg bleibt mit dieser Entscheidung in der „Spur“ des Bundesarbeitsgericht, das im Jahr 2016 ganz ähnlich urteilte (11.8.2016, Az. 8 AZR 406/14). Formulierungen in einer Stellenanzeige sind also immer im Gesamtzusammenhang zu lesen.

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Seit mittlerweile mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich mit dem Arbeitsrecht von A wie Abmahnung über K wie Kündigung bis Z wie Zeugnis. Gesetzgeber und Rechtsprechung sorgen dafür, dass […]

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