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Nachträgliche Klagezulassung bei später Erkenntnis von der Schwangerschaft

3 Wochen Zeit haben Beschäftigte für eine Kündigungsschutzklage – ab Zugang der Kündigung. Ist diese Frist verstrichen, gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam. Kann ein Beschäftigter darlegen, dass er die Fristversäumnis nicht zu vertreten hat, kann er innerhalb von 2 Wochen ab Wegfall des Hindernisses einen Antrag stellen, dass die Klage verspätet zugelassen wird. Gleiches gilt für schwangere Frauen, die erst im Nachhinein erfahren, dass sie zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger waren. Nur, auf welchen Kenntniszeitpunkt von der Schwangerschaft kommt es für die Berechnung der 2 Wochen an (Bundesarbeitsgericht (BAG), 3.4.2025, Az. 2 AZR 156/24)?

Maria Markatou

09.05.2025 · 2 Min Lesezeit

§ 4 KSchG: Anrufung des Arbeitsgerichts

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Fall des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

§ 5 Abs. 1 und 3 KSchG: Zulassung verspäteter Klagen

War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.

Der Antrag ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig. Nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden.

Der Fall: Eine Arbeitnehmerin erhielt am 14.5.2022 die ordentliche Kündigung zum 30.6.2022. Am 29.5.2022 machte sie einen Schwangerschaftstest. Der Test war positiv. Daraufhin versuchte sie sofort einen Termin beim Frauenarzt zu bekommen. Den bekam sie aber erst für den 17.6.2022. Davor reichte sie am 13.6.2022 Kündigungsschutzklage ein und beantragte die nachträgliche Zulassung. Ein ärztliches Zeugnis, das eine bei ihr am 17.6.2022 festgestellte Schwangerschaft in der „ca. 7. + 1 Schwangerschaftswoche“ bestätigte, reichte sie am 21.6.2022 nach. Laut Mutterpass war der voraussichtliche Geburtstermin der 2.2.2023. Somit war sie am 28.4.2022 schon schwanger, also vor der Kündigung. Zur Feststellung werden ab voraussichtlichem Geburtstermin 280 Tage zurückgerechnet. Der Arbeitgeber wähnte sich in Sicherheit. Denn da die Arbeitnehmerin erst am 13.6.2022 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben hatte, habe sie die Klagefrist des § 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung versäumt. Die Kündigung der Beschäftigten sei daher wirksam.

Frau handelte noch fristgerecht

Das Urteil: Das BAG stand dagegen aufseiten der Frau. Sie habe – aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund – erst mit der frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung am 17.6.2022 positive Kenntnis davon erlangt, dass sie bei Zugang der Kündigung schwanger war. Der Schwangerschaftstest reicht dafür nicht. Diese Tests sind nicht so verlässlich wie eine ärztliche Untersuchung. Sie hätte damit ab dem 17.6.2022 noch 2 Wochen Zeit gehabt. Mit der Klageerhebung am 13.6.2022 war sie also überpünktlich. Die Kündigung war unwirksam.

Fazit: Geduld der Richter ist nicht endlich

Mit dieser Entscheidung stärkt das BAG alle Frauen Deutschlands. Geben Sie dieses Urteil an Ihre Kolleginnen weiter! Bitten Sie sie aber auch darum, nicht auf Zeit zu spielen, sondern so schnell wie möglich zu klagen. Jeder Einzelfall ist anders, die Klagemöglichkeit sollte man nicht leichtfertig verbaseln! Das BAG sieht mit diesem Urteil auch die Ansprüche des EuGH als erfüllt an, der zuletzt kritisiert hat, dass die 2-Wochen-Frist zur nachträglichen Klageeinreichung zu kurz sei. Der EuGH hatte entschieden, dass eine Frau, die zum Zeitpunkt der Kündigung weiß, dass sie schwanger ist, 3 Wochen Zeit für eine Kündigung hat, und alle anderen nur 2 Wochen für die nachträgliche Zulassung. Das BAG sieht das mit diesem Urteil anders.

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Ich habe Rechtswissenschaften in München studiert und bin seit 2004 als Rechtsanwältin zugelassen. Von 2004 bis 2017 war ich Partnerin der Kanzlei Löffler & Partner in München. Seit 2017 bin […]

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