WISSENSWERTES

Nachträgliche Klagezulassung bei nicht erkannter Schwangerschaft

Wird Beschäftigten gekündigt, haben sie 3 Wochen Zeit, eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Ist diese Frist verstrichen, gilt die Kündigung als von Anfang an wirksam. Wenn eine Arbeitnehmerin aber erst später erfährt, dass sie zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger war, kann sie innerhalb von 2 Wochen einen Antrag stellen, dass die verspätete Klage ausnahmsweise zulässig ist. Die Klage ist dann nachträglich zuzulassen, wenn die Arbeitnehmerin schuldlos erst nach Ablauf der üblichen 3-Wochen-Frist für eine Kündigungsschutzklage von ihrer Schwangerschaft erfährt. Aber auf welchen Zeitpunkt kommt es dabei an: Kenntnis durch Test oder ärztliche Bestätigung (Bundesarbeitsgericht (BAG), 3.4.2025, Az. 2 AZR 156/24)?

Maria Markatou

19.05.2025 · 2 Min Lesezeit

§ 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Anrufung des Arbeitsgerichts

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Fall des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

§ 5 Abs. 1 KSchG: Zulassung verspäteter Klagen

War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn eine Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 Kenntnis erlangt hat.

Der Fall: Eine Arbeitnehmerin erhielt am 14.5.2022 die ordentliche Kündigung zum 30.6.2022. Am 29.5.2022 machte sie einen Schwangerschaftstest. Dieser war positiv. Einen Termin beim Frauenarzt bekam sie erst am 17.6.2022. Davor – am 13.6.2022 – reichte sie Kündigungsschutzklage ein und beantragte die nachträgliche Zulassung. Ein ärztliches Zeugnis, das eine bei ihr am 17.6.2022 festgestellte Schwangerschaft in der „ca. 7 + 1 Schwangerschaftswoche“ bestätigte, reichte sie am 21.6.2022 nach. Laut Mutterpass war der voraussichtliche Geburtstermin der 2.2.2023. Somit war sie am 28.4.2022 schon schwanger, also vor der Kündigung. Zur Feststellung werden ab voraussichtlichem Geburtstermin 280 Tage zurückgerechnet.

Der Arbeitgeber wähnte sich in Sicherheit. Denn da die Arbeitnehmerin erst am 13.6.2022 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erhoben hatte, habe sie die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung versäumt.

Frau handelte noch fristgerecht

Das Urteil: Das BAG stand auf der Seite der Frau. Sie habe aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst mit der frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung am 17.6.2022 erfahren, dass sie bei Zugang der Kündigung schwanger war. Der Schwangerschaftstest reichte dafür nicht aus – diese Tests sind nicht so verlässlich wie eine ärztliche Untersuchung. Sie hätte damit ab dem 17.6.2022 noch 2 Wochen Zeit gehabt. Mit der Klageerhebung am 13.6.2022 war die Beschäftigte also überpünktlich.

Fazit: Mutterschutz als hohes Gut im deutschen Arbeits- und Dienstrecht

Mit dieser Entscheidung stärkt das BAG alle Frauen Deutschlands. Geben Sie dieses Urteil an Ihre Kolleginnen weiter! Bitte Sie sie aber auch darum, nicht auf Zeit zu spielen, sondern so schnell wie möglich zu klagen und sich die Klagemöglichkeit nicht zu verbaseln!

Das BAG sieht mit diesem Urteil auch die Ansprüche des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) als erfüllt an, der zuletzt kritisiert hat, dass die 2-Wochen-Frist zur nachträglichen Klageeinreichung zu kurz sei. Das BAG sieht das mit diesem Urteil anders und hat dies auch so formuliert. Der EuGH sah ein Ungleichgewicht darin, dass eine Frau, die zum Zeitpunkt der Kündigung weiß, dass sie schwanger ist, 3 Wochen Zeit für eine Kündigung hat, alle anderen nur 2 Wochen für die nachträgliche Zulassung.

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Ich habe Rechtswissenschaften in München studiert und bin seit 2004 als Rechtsanwältin zugelassen. Von 2004 bis 2017 war ich Partnerin der Kanzlei Löffler & Partner in München. Seit 2017 bin […]

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