AKTUELLE RECHTSPRECHUNG FÜR DEN BETRIEBSRAT

Mit einer Stichtagsregelung ist Ihr Arbeitgeber auf der sicheren Seite

Erhalten Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen Jahressonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld? Dann kann eine Stichtagsregelung dafür sorgen, dass kürzlich ausgeschiedene Kolleginnen oder Kollegen keine Zahlung erhalten. Denn eine tarifliche Regelung, nach der Beschäftigte mit dem Novembergehalt eine Jahressonderzahlung erhalten, kann als Stichtagsregelung zu verstehen sein, sodass ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht anspruchsberechtigt sind. Das hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung klargestellt (28.1.2025, Az. 5 SLa 115/24).

Friederike Becker-Lerchner

16.05.2025 · 2 Min Lesezeit

Kündigung zu Ende August – Jahressonderzahlung im November

Der Fall: Der Arbeitnehmer, ein Mechatroniker, hatte nach mehreren Jahren Betriebszugehörigkeit zum 31.8.2023 gekündigt. Der anwendbare Tarifvertrag sah vor, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem Novembergehalt eine Jahressonderzahlung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts bekommen. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten die Zahlung zeitanteilig zu 1/12 für jeden vollen Beschäftigungsmonat.

Der Mitarbeiter vertrat nun die Ansicht, ihm stünde die volle Jahressonderzahlung auch für 2023 zu. Zumindest aber hätte er Anspruch auf eine anteilige Zahlung i. H. v. 8/12. Schließlich diene die Jahressonderzahlung nicht nur dazu, Betriebstreue zu honorieren. Sie sei vielmehr auch Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen. Als der Arbeitgeber nicht zahlte, zog der Arbeitnehmer vor Gericht. Dort hatte er jedoch keinen Erfolg.

Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Jahressonderzahlung

Die Entscheidung: Das Gericht stellte klar, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2023 aus dem Manteltarifvertrag habe. Die Richter erklärten, dass tarifliche Stichtagsregelungen grundsätzlich zulässig sind und keiner Inhaltskontrolle durch die Gerichte unterliegen. Im Urteilsfall sollte die Jahressonderzahlung mit dem Novemberentgelt geleistet werden. Ein Novemberentgelt erhalten aber nur Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis im November noch besteht. Da das Beschäftigungsverhältnis des Arbeitnehmers im November 2023 nicht mehr bestand, erhält er für 2023 keine Jahressonderzahlung.

! Wichtig: Ohne Tarifbindung hätte es anders ausgesehen

Dieselbe Regelung im Arbeitsvertrag ohne Tarifbindung hätte zu einem anderen Ergebnis geführt. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Stichtagsregelungen im Arbeitsvertrag nur wirksam, wenn die Jahressonderzahlung allein der Belohnung der Betriebstreue dient. Eine anteilige Zahlung an neue Mitarbeiter werten die Gerichte hingegen anders. Und zwar so, dass die Jahressonderzahlung auch Entgelt für geleistete Arbeit ist. Ausgeschiedene haben ebenfalls einen Anspruch auf eine anteilige Zahlung.

Info: Stichtagsregelung – Was Sie bei einer Stichtagsregelung beachten müssen

Für die wirksame Vereinbarung einer Stichtagsregelung ist zwingend erforderlich, dass es sich bei der betreffenden Sonderzahlung um eine reine Gratifikation handelt, die ausschließlich die in der Vergangenheit gezeigte und für die Zukunft erwartete Betriebstreue honoriere.

Denn sobald das Ziel einer Zahlung zumindest auch die Vergütung der Arbeitsleistung sei, seien Stichtagsregelungen generell unzulässig. Das wird damit begründet, dass sie den jeweiligen Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligen.

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB: Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]

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