ARBEITSRECHT

Ihre eigene Aussage vor Gericht kann Sie die Entgeltfortzahlung kosten

Sind Beschäftigte arbeitsunfähig erkrankt, muss der*die Dienstgeber*in Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten. Das regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz. Die AU-Bescheinigungen der Beschäftigten sind dabei der Anscheinsbeweis für eine tatsächlich bestehende Arbeitsunfähigkeit (AU). Diese Beweiskraft können Dienstgebende aber erschüttern – nicht nur durch Tatsachen, sondern leider auch durch Verhalten und Vortrag der Beschäftigten (Landesarbeitsgericht Köln, 3.6.2025, Az. 7 SLa 54/25).

Maria Markatou

22.10.2025 · 2 Min Lesezeit

Der Fall: Am 16.10.2023 gab ein Fahrer seine Ausrüstung zurück und war dann vom 16.10. bis zum 22.10.2023 krankgeschrieben. Das Gehalt für Oktober und November zahlte der Arbeitgeber nur teilweise. Seit dem 27.11.2023 bezieht der Fahrer Krankengeld. Der Beschäftigte klagte auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 1.10. bis zum 8.10.2023 sowie für den Zeitraum vom 16.10. bis zum 26.11.2023.

Der Arbeitgeber wiederum gab an, dass der Fahrer vom 28.9. bis 8.10.2023 gar nicht arbeitsunfähig gewesen sei. Der Beweiswert der AU-Bescheinigungen sei erschüttert. Schließlich habe man ihn in der Eisdiele mit Milchshake gesehen und am 16.10.2023 wollte er gar nicht arbeiten. Der Fahrer klagte.

Der Fahrer gewinnt nur zum Teil

Das Urteil: Der Arbeitgeber muss nur vom 2.10. bis zum 8.10.2023 die Entgeltfortzahlung nachzahlen. Für den Zeitraum ab dem 16.10.2023 konnte der Arbeitgeber den Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttern. Den Beweiswert erschütternde Tatsachen können sich auch aus dem Sachvortrag des*der Arbeitnehmenden ergeben (Bundesarbeitsgericht, 21.8.2024, Az. 5 AZR 248/23).

Gelingt es dem*der Arbeitgebenden, den Beweiswert der ärztlichen AU-Bescheinigung zu erschüttern, muss der*die Arbeitnehmende konkrete Tatsachen darlegen und beweisen, dass er*sie tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war. Er*Sie muss dann darlegen, welche Krankheiten vorgelegen haben, welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden haben und welche Verhaltensmaßregeln oder Medikamente ärztlich verordnet wurden. Zumindest laienhaft muss dargelegt werden, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit welchen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit bestanden haben.

Mein Tipp: Machen Sie sich nicht verdächtig

Der Beweiswert der AU-Bescheinigung kann auch dadurch erschüttert werden, dass Krankmeldungen oft vor dem Wochenende, an Brückentagen oder rund um den Urlaub erfolgen. Geben Sie daher an Ihre Kolleg*innen weiter, dass das tunlichst vermieden werden sollte. Es bringt einem vielleicht einen Tag der Entspannung mehr. Auf lange Sicht aber bringt es vor allen Dingen Ärger.

Hier hat der Fahrer geschildert, dass er am 16.10.2023 seine Ausrüstung zurückgegeben habe, weil ihn der Geschäftsführer am Vortag telefonisch dazu aufgefordert habe. Ihm wurde auch die Kündigung in Aussicht gestellt. Also ist der Fahrer davon ausgegangen, dass ihm am 16.10.2023 gekündigt würde. Bereits diese exakte zeitliche Koinzidenz erschüttert den Beweiswert der AU-Bescheinigung. Außerdem wird der Beweiswert auch dadurch erschüttert, dass die AU genau zu dem Zeitpunkt begann, als der Fahrer die neuen Linienfahrten übernehmen sollte. Die Klage wurde also zum Teil abgewiesen.

Info: Ihre Pflichten bei Arbeitsunfähigkeit

Bitte denken Sie immer daran, dass Sie Ihrem*Ihrer Dienstgebenden sofort anzeigen müssen, wenn Sie arbeitsunfähig sind. Dabei müssen Sie melden, dass Sie arbeitsunfähig sind, und auch angeben, wie lange Sie voraussichtlich arbeitsunfähig sein werden (Anzeigepflicht). Die Anzeigepflicht besteht trotz Einführung der eAU weiter. Beachten Sie dies bitte!

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, müssen Sie eine AU-Bescheinigung vorlegen bzw., wenn Sie gesetzlich versichert sind, das Bestehen einer AU sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen und sich eine ärztliche Bescheinigung aushändigen lassen (Nachweispflicht). Beachten Sie bitte beide Pflichten, denn verstoßen Sie hiergegen, dann kann die Dienststellenleitung eine Abmahnung aussprechen. Das müssen Sie nicht riskieren.

Fazit: Arbeitsgerichte werden in Sachen Entgeltfortzahlung strenger

Auch wenn die Arbeitsrichter*innen grundsätzlich arbeitnehmerfreundlich eingestellt sind, ist es doch zu beobachten, dass sie in Sachen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall immer strenger werden. Immer öfter wird zugunsten von Arbeit- bzw. Dienstgebenden entschieden. Behalten Sie dies im Hinterkopf und ermahnen Sie sich und die Belegschaft dazu, sich immer redlich zu verhalten.

Wie hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

0
0

537
2
148
Ich habe Rechtswissenschaften in München studiert und bin seit 2004 als Rechtsanwältin zugelassen. Von 2004 bis 2017 war ich Partnerin der Kanzlei Löffler & Partner in München. Seit 2017 bin […]

Ausgaben

Ausgaben

Mitarbeitende Aktiv Vertreten

Inhaltsverzeichnis