AKTUELLE RECHTSPRECHUNG FÜR DEN BETRIEBSRAT

Hier war die Kündigung nicht gerechtfertigt

Es kommt immer mal wieder vor, dass sich in der Frischetheke eines Supermarktes auch verdorbenes Obst oder Gemüse befindet. Das ist kein schöner Anblick für die Kunden. Deshalb sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den meisten Supermärkten bemüht, die faulen Stücke schnell zu beseitigen. Wird dabei etwas übersehen oder kommen die Kolleginnen und Kollegen einfach nicht hinterher, stellt sich schnell die Frage, wer dafür verantwortlich ist. Eine Kündigung des stellvertretenden Filialleiters wegen verdorbenem Obst in der Frischetheke ist jedenfalls nicht zwingend gerechtfertigt. Das lässt sich einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg entnehmen (26.6.2024, Az. 3 Ca 386/24).

Friederike Becker-Lerchner

01.04.2025 · 1 Min Lesezeit

Arbeitgeber kündigt Beschäftigungsverhältnis von stellvertretendem Filialleiter

Der Arbeitnehmer war zum Zeitpunkt seiner Kündigung seit 7 Jahren bei seinem Arbeitgeber als stellvertretender Filialleiter eines Discounters beschäftigt. In seine Zuständigkeit fiel u. a. auch die Frischetheke. Bei einer Kontrolle entdeckte die Regionalleitung in der Frischetheke verdorbene Ware. Dafür mahnte die Regionalleitung den Arbeitnehmer ab. Als sich der Vorfall wiederholte und bei einer weiteren Kontrolle wieder verschimmeltes Obst und Gemüse in der Frischetheke gefunden wurde, kündigte der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter fristlos.

Dagegen wehrte sich der Arbeitgeber mit einer Kündigungsschutzklage. Darin berief er sich darauf, dass er die Frischetheke des Supermarktes immer stichprobenartig kontrolliert habe. Dabei sei ihm allerdings nichts aufgefallen. Zudem habe er ihm disziplinarisch unterstellte Kolleginnen und Kollegen angewiesen, nach verdorbener Ware zu suchen. Auch den Kolleginnen und Kollegen sei dabei keine verschimmelte Ware aufgefallen.

Gericht gibt stellvertretendem Filialleiter recht

Der stellvertretende Filialleiter hatte Erfolg mit seiner Kündigungsschutzklage. Das Gericht entschied, dass die Kündigungen, sowohl die fristlose als auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung, unwirksam seien. Das begründete das Gericht damit, dass der Arbeitnehmer berechtigt gewesen sei, die Warenkontrolle auf Mitarbeiter zu übertragen, die ihm disziplinarisch unterstellt seien.

Schließlich könne ein stellvertretender Filialleiter nicht alle Aufgaben selbst wahrnehmen. Dies habe zur Folge, dass er seinerseits nur Stichprobenkontrollen habe durchführen müssen. Dass der stellvertretende Filialleiter die stichprobenartigen Kontrollen nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe, sei nicht nachgewiesen worden. Der Arbeitgeber habe nichts dazu dargelegt.

Wichtig: Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig

Die Entscheidung war zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann deshalb Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden. Wir unterrichten Sie umgehend hier in „Urteilsdienst für den Betriebsrat“, wenn es etwas Neues in der Angelegenheit gibt.

Wenn Ihr Arbeitgeber Sie über eine geplante Kündigung unterrichtet

Informiert Ihr Arbeitgeber Sie über eine geplante Kündigung im Rahmen des Anhörungsverfahrens (§ 102 BetrVG), sollten Sie eine sorgfältige Prüfung des jeweiligen Einzelfalls vornehmen. Dazu benötigen Sie so viele Informationen über den Arbeitnehmer wie möglich. Die folgende Checkliste hat sich dafür in der Betriebsratspraxis als Arbeitshilfe bewährt.


Arbeitshilfen

  • Checkliste: Verhaltensbedingte Kündigung

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]

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