Wie oft gibt es Gewalttaten in Ihrem Betrieb? Haben Sie eine Kennzahl, die anzeigt, wie häufig es zu Übergriffen kommt? Wahrscheinlich nicht. Denn Gewaltvorfälle werden häufig gar nicht oder nur dann dokumentiert, wenn sie zu mehr als 3 Tagen Arbeitsunfähigkeit führen.
Wie weit verbreitet ist Gewalt am Arbeitsplatz?
Die offiziellen Statistiken der gesetzlichen Unfallversicherung erfassen jährlich zwischen 9.000 und 13.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle durch Gewalteinwirkung.
Das tatsächliche Ausmaß liegt jedoch deutlich höher – denn viele Vorfälle, insbesondere psychische Gewalt wie Spott, Bedrohung oder sexualisierte Grenzverletzungen, werden weder gemeldet noch systematisch erfasst. Nur etwa die Hälfte der Betroffenen informiert ihre Führungskraft über einen Vorfall – und lediglich 12 % zeigen ihn bei den Behörden an.
Kollegen mit Kundenkontakt besonders gefährdet
Die Ergebnisse der forsa-Umfrage unter mehr als 2.500 abhängig Beschäftigten mit Kundenkontakt zeigen deutlich:
- 32 % berichten von Beschimpfungen oder Beleidigungen.
- 12 % erleben Spott oder Schikanen.
- 7 % wurden bedroht oder erpresst.
- 6 % berichten von sexualisierter psychischer Gewalt.
- 8 % waren im letzten Jahr körperlicher Gewalt ausgesetzt.
Gegen Gewalt ist ein Kraut gewachsen
Sie als Betriebsrat können gemeinsam mit dem Arbeitgeber gezielt dagegen vorgehen – mit Präventionsmaßnahmen, klarer Haltung und wirksamen Schutzstrukturen. Die DGUV betont: Betriebe, die Gewalt nicht tolerieren und Systeme zur Meldung, Aufarbeitung und Unterstützung etablieren, können ihre Mitarbeitenden wirksam schützen – und gleichzeitig das Betriebsklima stärken.
Was ist Gewalt am Arbeitsplatz?
Gewalt kann viele Gesichter haben – und nicht alle sind sofort sichtbar.
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) definiert Gewalt am Arbeitsplatz als „jede Handlung, jedes Ereignis oder Verhalten, das sich von einer Person oder Gruppe gegen eine andere richtet und dazu führt, dass diese physisch, psychisch oder emotional geschädigt, bedroht oder verletzt wird“.
Formen von Gewalt können sein:
- physische Gewalt: Schläge, Tritte, körperliche Angriffe
- psychische Gewalt: Bedrohungen, Einschüchterung, Erniedrigung
- sexuelle Belästigung: anzügliche Bemerkungen, unerwünschte Nähe, Übergriffe
- Mobbing: systematische Schikanen oder Ausgrenzung
- Diskriminierung: aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Alter, Behinderung, Religion oder sexueller Identität
Gewalt hat massive Folgen
Gewalt am Arbeitsplatz wirkt sich nicht nur individuell, sondern auch organisatorisch aus. Laut BAuA verursachen psychische Belastungen infolge von Gewalt erhebliche wirtschaftliche Schäden. Sie führen zu einer Zunahme von Arbeitsunfähigkeitstagen und können langfristig das Betriebsergebnis beeinträchtigen.
Neue Impulse und rechtliche Rahmenbedingungen
Die ILO hat mit dem Übereinkommen Nr. 190 ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen geschaffen, das Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt verbietet. Deutschland hat es 2023 ratifiziert – Ihr Arbeitgeber muss proaktiv gegen Gewalt vorgehen. Wichtig:
- Gewaltprävention ist Führungsaufgabe – aber nicht nur: Alle Kollegen müssen sensibilisiert und einbezogen werden.
- Die Organisation muss Strukturen schaffen, um Gewalt zu erkennen und zu verhindern. Je transparenter und klarer Ihr Arbeitgeber mit dem Thema umgeht, desto weniger wird es vorkommen.
- Sie als Betriebsrat haben Mitbestimmungsrechte, u. a. bei Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG), zur Ordnung des Betriebes (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) und in diesem Rahmen bei Schutzmaßnahmen.