GRUNDWISSEN

Geschickt einfädeln lohnt sich

Sie kennen wahrscheinlich den anerkennenden Spruch: „Geschickt eingefädelt!“ Goethe hat die Sache hingegen wohl von der negativen Seite her betrachtet. Er soll gesagt haben: „Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zurande.“ Ein Fehler am Anfang lässt sich nämlich oft später nicht mehr korrigieren, so sehr man sich auch bemüht. Ganz so schlimm ist es im Dienstverhältnis nicht. Manche Fehler lassen sich durchaus später noch korrigieren.

Michael Tillmann

19.05.2025 · 3 Min Lesezeit

Auch ist der Gesetzgeber so fürsorglich, dass er gleich am Anfang durch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einige Fehler bzw. negative Vertragsklauseln „abfischt“. Nichtsdestotrotz ist aber natürlich jedem Bewerber und jeder Bewerberin zu raten, das Dienstverhältnis möglichst „geschickt“ einzufädeln. Und Sie als MAV sollten die Bewerber*innen dabei unterstützen, wo es möglich und sinnvoll ist.

Beim Dienstverhältnis kann man vereinfacht und etwas salopp gesagt im Grunde 3 Phasen in zeitlicher Hinsicht unterscheiden:

  1. Wie komme ich rein ins Dienstverhältnis?
  2. Was gilt, wenn ich im Dienstverhältnis drin bin?
  3. Wie komme ich wieder raus aus dem Dienstverhältnis?

In dieser Sonderausgabe geht es also um Phase 1. Jedoch hat diese Phase 1 für die anderen beiden Phasen durchaus Bedeutung. Es geht darum, „das erste Knopfloch zu treffen“. Alle Phasen hängen trotz ihrer Unterscheidung auf der anderen Seite auch wieder vielfach thematisch zusammen. Das kann man sich an folgenden Punkten recht einfach klarmachen:

Das Gehalt hat eine zentrale Bedeutung

Ein zentraler Punkt im Dienstverhältnis ist die Frage: Was bekomme ich für meine Tätigkeit? Rechtlich gesehen handelt es sich um die Hauptleistung des*der Dienstgebenden.

Vereinbart wird das Gehalt am Anfang des Dienstverhältnisses. Bedeutung erlangt das Gehalt dann aber im laufenden Dienstverhältnis (Phase 2). Es kann dann auch nicht in jedem Fall über eine Korrektur der Eingruppierung noch angepasst werden.

Der*Die Bewerbende selbst sollte darauf achten, dass die Vergütung auch den eigenen Ansprüchen genügt. Wenn eine bestimmte Vergütung bzw. eine bestimmte Eingruppierung vertraglich festgeschrieben ist, kommt der*die Dienstgebende davon nicht so einfach wieder herunter. Eine zu niedrige Eingruppierung kann hingegen von dem*der neu eingestellten Mitarbeitenden rechtlich angegriffen werden. Inwieweit das vor Eintritt des Kündigungsschutzes opportun ist, ist natürlich eine andere Frage.

Für Sie als MAV ist zu beachten, dass Ihr Mitbestimmungsrecht im Bereich der Eingruppierung eher schwach ist. Es hat keine unmittelbare Auswirkung auf das Dienstverhältnis des*der betroffenen Mitarbeitenden bzw. Bewerbenden. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung selbst (Diesen Zugriff haben Sie als MAV auf Einstellungen).

Die Tätigkeitsbeschreibung hat mehrere Gesichter

Der Vergütung als Hauptleistungspflicht des*der Dienstgebenden steht die vertraglich geschuldete Tätigkeit als Hauptleistungspflicht des*der Mitarbeitenden gegenüber. Aber welche Tätigkeit ist genau geschuldet? Dies ergibt sich vor allem aus dem Dienstvertrag und eventuell auch aus einer Tätigkeitsbeschreibung.

Die Frage, wie eine Tätigkeitsbeschreibung bei der Einstellung (Phase 1) gefasst wird, kann am Ende des Dienstverhältnisses (Phase 3) im Falle einer betriebsbedingten Kündigung eine Rolle spielen. Bei der Einstellung mag es so manchem Mitarbeiter und mancher Mitarbeiterin gar angenehm sein, wenn Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag und Versetzungsklausel dem*der Dienstgebenden einen großen Spielraum an Einsatzmöglichkeiten lassen.

Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung kann sich dieser möglicherweise als Nachteil empfundene Umstand unversehens von einer ganz anderen, positiven Seite zeigen: Er kann nämlich den Kreis der Kolleg*innen in der Sozialauswahl vergrößern. Damit steigen generell die Chancen, dass man als Betroffene*r nicht auf der Liste der zu kündigenden Mitarbeitenden landet.

Fazit: Die Tätigkeitsbeschreibung hat 2 Gesichter

Die Tätigkeitsbeschreibung ist also nicht leicht zu fassen. Man kann wegen der „Doppelgesichtigkeit“ nicht generell sagen, dass eine weite Tätigkeitsbeschreibung besser ist als eine enge – oder umgekehrt.

Vertraglich bindend ist eine separate, umfangreiche Tätigkeitsbeschreibung dabei übrigens nur, wenn der*die Mitarbeiter*in sie unterschrieben hat und sie somit Teil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ist. Ansonsten gilt die Kurzbeschreibung im Arbeitsvertrag.

Eine nicht vom*von der Mitarbeitenden unterschriebene, also einseitig vom*von der Dienstgebenden vorgegebene Tätigkeitsbeschreibung ist rechtlich betrachtet nur eine Ausübung des Direktionsrechts durch den*die Dienstgeber*in und für den Dienstvertrag selbst oder für eine eventuelle Kündigung nicht relevant.

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Seit mittlerweile mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich mit dem Arbeitsrecht von A wie Abmahnung über K wie Kündigung bis Z wie Zeugnis. Gesetzgeber und Rechtsprechung sorgen dafür, dass […]

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