AKTUELLE RECHTSPRECHUNG FÜR DEN BETRIEBSRAT

„Digital Native“ ist eine Altersdiskriminierung

Stellenanzeigen stehen immer mal wieder im Widerspruch zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Mit einer Formulierung in einer Stellenanzeige wie „Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Daten-getriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause“ spricht der jeweilige Arbeitgeber eine bestimmte Altersgruppe an. Die Bewerberinnen und Bewerber, die nicht dieser Altersgruppe angehören, werden aus Gründen des Alters diskriminiert. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung klargestellt (7.11.2024, Az. 17 Sa 2/24).

Friederike Becker-Lerchner

02.05.2025 · 2 Min Lesezeit

Bewerber macht Altersdiskriminierung geltend

Der Fall: Geklagt hatte ein Bewerber. Er hatte sich auf eine Stelle bei einem Arbeitgeber, einem Sportartikelhändler, beworben. In der Stellenausschreibung suchte der Arbeitgeber nach einem „Digital Native“, der sich in der Social-Media-Welt zu Hause fühlt. Er suche außerdem einen „absoluten Teambuddy“ und biete ein dynamisches Team mit attraktiver Vergütung und Chancen zur beruflichen Entwicklung. Auf diese Stelle bewarb sich der Diplom-Wirtschaftsjurist. Er stellte sich dabei ein Gehalt von 90.000 € im Jahr vor. Der Arbeitgeber lehnte seine Bewerbung jedoch ab.

Das missfiel dem Bewerber.

Der Bewerber, Jahrgang 1972, vertrat die Ansicht, dass die Formulierung in der Stellenanzeige ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung i. S. d. § 3 Abs. 1 AGG sei. Er ging von einer Altersdiskriminierung aus und klagte auf eine Entschädigung nach dem AGG. Und zwar in Höhe von 37.500 €.

Das Arbeitsgericht gab ihm recht, reduzierte die Entschädigung allerdings auf 7.500 €. Diese Entschädigung bestätigte jetzt das LAG.

„Digital Native“ meint eine bestimmte Altersgruppe

Die Entscheidung: Das LAG gab dem abgelehnten Bewerber recht und sprach ihm eine Entschädigung i. H. v. 7.500 € nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Der Bewerber sei deshalb wegen seines Alters und wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nach § 7 Abs. 1 AGG unmittelbar benachteiligt worden. Er hat eine ungünstigere Behandlung erfahren als der letztlich vom Arbeitgeber eingestellte Bewerber.

Das Gericht entschied, dass der Begriff „Digital Native“ unmittelbar an das Lebensalter anknüpfe. Der Begriff sei vom amerikanischen Autor Marc Perensky im Jahr 2001 geprägt worden. Er habe damit Menschen beschreiben wollen, die mit digitalen Technologien, wie Computern, dem Internet und anderen mobilen Geräten, aufgewachsen sind und die sich dadurch von einer älteren Generation abgrenzen, die nicht mit diesen Technologien groß geworden sind.

Auch nach dem Duden, den das Gericht in seiner Entscheidung ebenfalls berücksichtigte, handele es sich um Personen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen und in ihrer Benutzung geübt seien.

Das Gericht stellte klar, dass das AGG vermute, dass Bewerber in solchen Fällen zumindest auch aus Altersgründen abgelehnt worden seien. Deshalb wäre es in diesem Fall am Arbeitgeber gewesen, einen Gegenbeweis zu liefern. Diesen hatte der Arbeitgeber jedoch nicht erbracht.

Gericht klärt nicht, ab wann genau man „Digital Native“ ist

Das Gericht stellte klar, dass der Bewerber, Jahrgang 1972, kein „Digital Native“ war. Es ließ allerdings offen, ab welchem Jahrgang es konkret von einem „Digital Native“ ausgeht.

Fazit: AGG schützt Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen sowie Bewerber

Das AGG schützt Menschen und damit Sie und Ihre Kollegen vor einer Diskriminierung im Arbeitsleben aufgrund ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität.

Das gilt bei der Bewerbung genauso wie in einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Die Stellenausschreibung für einen „Digital Native“ wirkt sich diskriminierend für Bewerber und Bewerberinnen aus, die nicht mit den modernen Kommunikationstechnologien aufgewachsen sind.

Info: Digital Native – Hiermit ist eine bestimmte Generation gemeint

Personen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen sind und in ihrer Benutzung geübt sind.

§ 15 Abs. 2 AGG: Entschädigung und Schadenersatz

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]

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