RECHT & URTEILE

Diese wichtigen Urteile zu Gewalt am Arbeitsplatz sollten Sie kennen

Gewalt am Arbeitsplatz stellt eine ernste Bedrohung für die Sicherheit und das Wohlbefinden von Beschäftigten dar. Als Betriebsrat tragen Sie eine zentrale Verantwortung, solche Vorfälle zu erkennen, zu verhindern und angemessen darauf zu reagieren. Dieser Artikel gibt Ihnen Hinweise zu relevanten Urteilen und praxisnahe Vorschläge für den Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz.

Brigitte Ganzmann

19.05.2025 · 3 Min Lesezeit

Gewalt hat viele Facetten, nicht immer geht es nur um die brachiale körperliche Gewalt, bei der z. B. tatsächlich Kollegen oder Vorgesetzte geschlagen oder getreten werden.

Drohung mit Gewalt und fristlose Kündigung

Hier haben Arbeitsgerichte (ArbG) in der Regel relativ wenig Verständnis. Das ArbG Mönchengladbach entschied z. B. schon vor etlichen Jahren, dass die Drohung eines Mitarbeiters gegenüber seinem Vorgesetzten mit den Worten „Ich hau dir vor die Fresse“ eine fristlose Kündigung rechtfertigt (7.11.2012, Az. 6 Ca 1749/12). Das Gericht stellte klar, dass bereits die Androhung von Gewalt eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt, die eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen kann. Natürlich kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Aber Kollegen, die mit Gewalt drohen, riskieren ihren Job!

Wer schlägt, fliegt … und zwar sofort

Ein Mitarbeiter fühlte sich durch eine Berührung seines Arbeitgebers gegen seine Brust innerhalb einer verbalen Auseinandersetzung körperlich angegriffen. Er schlug ihn mit der Faust nieder. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz bestätigte die deshalb ausgesprochene fristlose Kündigung (25.7.2008, Az. 6 Sa 196/08). Der Mitarbeiter versuchte sich zwar noch mit einer angeblichen Notwehrlage herauszureden. Diese konnten die Richter aber nicht erkennen. Vor allem sahen sie keinen rechtswidrigen Angriff des Arbeitgebers auf den Mitarbeiter.

Provokation rechtfertigt nicht alles

Natürlich ist bei Auseinandersetzungen innerhalb des Betriebs oft nicht nur eine Seite schuld. Aber das Kündigungsrisiko besteht selbst nach einer Provokation. In einem Fall des LAG Hessen war der „Täter“ zuvor durch eine Beleidigung des Kollegen zu einem „Tritt in den Hintern“ provoziert worden. Das half ihm aber nicht. Nach Abwägung aller Umstände bestätigte das Gericht die fristlose Kündigung des tretenden Beschäftigten. Eine vorherige Abmahnung war entbehrlich – der Täter hätte nicht so reagieren dürfen (LAG Hessen, 20.1.2004, Az. 6 Sa 169/03).

Tipp: Sensibilisieren Sie!

Wenn auch in Ihrem Betrieb – so wie in vielen anderen auch – der Ton immer rauer und die Sprache immer aggressiver wird, sollten Sie das Thema Gewalt und Drohung mit Gewalt thematisieren. Schon die Drohung mit Gewalt ist kein Spaß und oft der erste Schritt zur tatsächlichen Gewaltausübung.

Auch Betriebsräte sind nicht vor Kündigung geschützt

Bei einer Weihnachtsfeier entstand ein zunächst mündlicher Streit zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden und einem Mitarbeiter. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung schlug der Betriebsratsvorsitzende den Kollegen. Der Arbeitgeber wollte ihm deshalb fristlos kündigen. Da der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung nicht zustimmen wollte, beantragte der Arbeitgeber die Ersetzung dieser Zustimmung beim ArbG gem. § 103 BetrVG – mit Erfolg. Obwohl der Betriebsratsvorsitzende bereits seit 24 Jahren in dem Betrieb beschäftigt war, erlaubte das ArbG Osnabrück die fristlose Kündigung (9.8.2009, Az. 4 BV 13/08).

Hinweis: Arbeitgeber muss Beschäftigte schützen

Im gleichen Urteil bestätigte das Gericht, dass der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist, Beschäftigte vor Tätlichkeiten von Kollegen zu schützen. Das ist gängige Rechtsprechung. Machen Sie das dem Arbeitgeber bei Bedarf deutlich klar.

Sexuelle Gewalt und Belästigung als Kündigungsgrund

Das LAG Köln hat in einem Urteil klargestellt, dass auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellt, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. In dem Fall hatte ein langjähriger Mitarbeiter gegenüber einer Kollegin anzügliche Bemerkungen gemacht und ihr einen „Klaps auf den Po“ gegeben. Das Gericht betonte, dass derartige Handlungen die Würde der betroffenen Person verletzen und somit nicht toleriert werden dürfen (LAG Köln, 7.7.2005, Az. 7 Sa 508/04).

To-do für Sie als Betriebsrat

Gewalt am Arbeitsplatz braucht niemand. Proaktive Maßnahmen gegen Gewalt am Arbeitsplatz sind gefragt. Dabei können Sie mitwirken. Die beispielhaft genannten Urteile verdeutlichen, dass Gewalt am Arbeitsplatz in verschiedenen Formen auftreten kann und ernsthafte arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Als Betriebsrat sollten Sie:

  • Präventionsmaßnahmen initiieren, z. B. Schulungen und klare Verhaltensrichtlinien.​
  • Ansprechstellen für Betroffene einrichten und deren Anliegen ernst nehmen.​
  • eng mit der Geschäftsführung zusammenarbeiten, um eine gewaltfreie Arbeitsumgebung zu gewährleisten.​

Wie hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

0
0

197
2
130
Ich bin seit über 15 Jahren im Bereich Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement aktiv und seit Juni 2018 Chefredakteurin von „Arbeitsschutz & Gesundheitsmanagement für Betriebs­räte“. In meinem Hauptberuf arbeite ich als systemischer […]

Ausgaben

Ausgaben

Arbeitsschutz und Gesundheitsmanagement für Betriebsräte

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Mehr interessante Beiträge