AKTUELLE RECHTSPRECHUNG FÜR DEN BETRIEBSRAT

Bundesarbeitsgericht stärkt den Kündigungsschutz schwangerer Arbeitnehmerinnen

Ab Zugang einer Kündigung können Ihre Kolleginnen und Kollegen im Normalfall nur binnen 3 Wochen Kündigungsschutzklage erheben. Das gilt grundsätzlich auch für schwangere Kolleginnen. Lediglich wenn eine Mitarbeiterin unverschuldet erst später erfährt, dass sie zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger war, kann sie danach noch innerhalb von 2 Wochen klagen (§ 5 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)). Doch diese Frist dürfte nun unwirksam sein. Denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich entschieden, dass eine verspätete Kündigungsschutzklage nach § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG zuzulassen ist, wenn eine Kollegin schuldlos erst nach Ablauf der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG Kenntnis von einer bestehenden Schwangerschaft erhält (BAG, 3.4.2025, Az. 2 AZR 156/24).

Friederike Becker-Lerchner

02.05.2025 · 2 Min Lesezeit

Arbeitgeber kündigt Beschäftigungsverhältnis von Arbeitnehmerin

Der Fall: Der Arbeitgeber, eine Arztpraxis, kündigte das Arbeitsverhältnis seiner Behandlungsassistentin am 14.5.2022 ordentlich zum 30.6.2022. Das Kündigungsschreiben ging der Arbeitnehmerin am selben Tag zu. Am 29.5.2022 führte die Gekündigte einen Schwangerschaftstest durch, der positiv ausfiel. Sie informierte daraufhin umgehend ihren Arbeitgeber. Parallel dazu bemühte sie sich sofort um einen Termin beim Frauenarzt. Den erhielt sie jedoch erst für den 17.6.2022. Die Gynäkologin bestätigte die Schwangerschaft und berechnete den voraussichtlichen Geburtstermin für den 2.2.2023. Durch Rückrechnung um 280 Tage wurde der Beginn der Schwangerschaft auf den 28.4.2022 datiert.

Arbeitnehmerin beantragt nachträgliche Zulassung

Am 13.6.2022 reichte die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage ein und beantragte die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Am 21.6.2022 reichte sie ein ärztliches Zeugnis beim Arbeitsgericht ein, das eine bei ihr am 17.6.2022 festgestellte Schwangerschaft in der ca. 7. + 1 Schwangerschaftswoche bestätigte. Die Arbeitnehmerin stellte sich auf den Standpunkt, dass die Kündigungsschutzklage nach § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG nachträglich zuzulassen sei. Dem hielt der Arbeitgeber entgegen, dass die Vorschrift nicht einschlägig sei. Das begründete er damit, dass die Arbeitnehmerin das Ergebnis des positiven Schwangerschaftstests bereits während der regulären Klagefrist kannte. Diese Argumentation überzeugte das Gericht jedoch nicht.

Kündigungsschutzklage muss nachträglich zugelassen werden

Die Entscheidung: Das Gericht entschied, dass die Kündigung der Arbeitnehmerin wegen Verstoßes gegen das Kündigungsschutzverbot aus § 17 Abs. 1 Nr. 1 Mutterschutzgesetz unwirksam sei. Es räumte zwar ein, dass die Klagefrist nicht gewahrt worden war, entschied insoweit allerdings, dass die Klage nachträglich zuzulassen sei. Das begründeten die Richter damit, dass die Arbeitnehmerin erst mit der frühestmöglichen frauenärztlichen Untersuchung positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft erlangt habe. Denn ein Schwangerschaftstest sei insoweit zu unzuverlässig. Er habe die Kenntnis nicht vermitteln können. Auch im Hinblick auf die Tatsache, dass der Arzttermin erst relativ spät nach der Durchführung des Schwangerschaftstests stattgefunden hatte, äußerte sich das Gericht. Es stellte klar, dass der Arbeitnehmerin nicht anzulasten sei, dass sich den Arzttermin verzögert habe.

Fazit: Mehr Schutz für schwangere Arbeitnehmerinnen

Arbeitnehmer haben grundsätzlich 3 Wochen Zeit, sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen eine unbegründete Kündigung zu wehren (§ 4 KSchG). Erfährt eine Schwangere erst nach Ablauf der Frist von ihrer Schwangerschaft, kann sie unter bestimmten Voraussetzungen eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragen. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt, wenn die Schwangerschaft einwandfrei feststeht. Das ist nach einem entsprechenden Besuch beim Frauenarzt der Fall.

§ 4 KSchG: Anrufung des Arbeitsgerichts

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, so muss er innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Fall des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitgeber Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer an.

 

Wie hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

0
0

400
0
230
Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]

Ausgaben

Ausgaben

Urteilsdienst für den Betriebsrat

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Mehr interessante Beiträge