AKTUELLE RECHTSPRECHUNG FÜR DEN BETRIEBSRAT

Außerordentliche Kündigung wegen Konsums von Kokain am Arbeitsplatz

Der Konsum von Kokain während der Arbeitszeit auf dem Betriebsgelände des Arbeitgebers stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsrechtlichen Pflichten dar. Dieser wichtige Grund berechtigt den Arbeitgeber, das jeweilige Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Das gilt auch bei einem nur dringenden Tatverdacht gegenüber einem Mitglied des Betriebsrats. Das hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung klargestellt (6.5.2024, Az. 4 Sa 446/23).

Friederike Becker-Lerchner

28.04.2025 · 3 Min Lesezeit

Betriebsrat beim Schnupfen eines weißen Pulvers beobachtet

Ein freigestellter Betriebsrat, der seit dem Jahr 2022 bei seiner Arbeitgeberin, einem Logistikunternehmen, beschäftigt ist, wurde dabei beobachtet, wie er an seinem Schreibtisch ein weißes Pulver mit einer Karte zu einer Linie formte und mit einem Röhrchen durch die Nase konsumierte. Als ihn die Arbeitgeberin auf sein Verhalten ansprach, behauptete er, dass es sich um Schnupftabak gemischt mit Traubenzucker gehandelt habe.

Die Arbeitgeberin forderte den Betriebsrat daraufhin auf, sich einem von ihr bezahlten Drogentest mittels Haarprobe zu unterziehen. Diesem Verlangen kam der Arbeitnehmer jedoch nicht nach.

Thema „Sucht“ ist in Betriebsvereinbarung geregelt

Im Betrieb existiert eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Sucht“, die u. a. ein Verbot des Konsums von Suchtmitteln beinhaltet. Konkret heißt es insoweit: „Innerhalb des Betriebs und an anderen Dienstorten ist jeglicher Konsum von Suchtmitteln wegen der davon ausgehenden Gefahr für Sicherheit und Gesundheit untersagt. Die Regelung gilt von Arbeitsbeginn bis Arbeitsende, einschließlich der Pausen.“

Arbeitgeberin kündigt fristlos

Die Arbeitgeberin wollte das Arbeitsverhältnis beenden. Sie holte deshalb die Zustimmung des Betriebsratsgremiums ein. Nach entsprechender Zustimmung durch den Betriebsrat kündigte sie das Beschäftigungsverhältnis außerordentlich mittels einer Verdachtskündigung. Der Betriebsrat wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage, allerdings ohne Erfolg.

Gericht hält Kündigung für rechtmäßig

Das Gericht entschied, dass dem Arbeitnehmer zwar keine Pflichtwidrigkeit nachgewiesen werden könne, die Kündigung jedoch als Verdachtskündigung wirksam sei. Die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung seien gegeben. Deshalb sei ausnahmsweise auch die Kündigung gegenüber einem Betriebsrat zulässig (§ 15 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)). Zwar sei unklar, ob der Betriebsrat tatsächlich Drogen konsumiert und dadurch die Pflichten aus seinem Arbeitsvertrag verletzt habe. Das sei jedoch unerheblich, da für eine fristlose Kündigung der dringende Tatverdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung ausreiche.

Voraussetzung für Verdachtskündigung liegt vor

Voraussetzung sei, dass der Verdacht auf konkrete von der Arbeitgeberin ggf. zu beweisende Tatsachen gestützt wird sowie dringend sein muss. Hier stützte sich das Gericht für die Annahme, dass es sich bei der konsumierten Substanz um Kokain handelte, vor allem auf den Umstand, dass der Arbeitgeber sich trotz einer von der Arbeitnehmerin zugesagten Kostenübernahme eines Drogentests verweigerte. Danach spräche einiges dafür, dass es sich um Kokain gehandelt habe.

Das Gericht hielt die Kündigung darüber hinaus für verhältnismäßig, da das Vertrauen in den Beschäftigten, der als Betriebsratsmitglied eine Vorbildfunktion innehat, durch den dringenden Tatverdacht zerstört wurde.

Fazit: Kokain-Konsum am Arbeitsplatz rechtfertigt außerordentliche Kündigung

Das Gericht hat mit dieser Entscheidung bestätigt, dass der Konsum von Kokain am Arbeitsplatz einen für eine fristlose Kündigung notwendigen wichtigen Kündigungsgrund rechtfertigt. Das ist ganz bestimmt die richtige Entscheidung für die Sicherheit im Betrieb. Nutzen Sie als Betriebsrat Ihre Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, und einigen Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber auf eine Betriebsvereinbarung.

§ 15 Abs. 1 KSchG: Unzulässigkeit der Kündigung

Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des BetrVG erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder … innerhalb von 6 Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit gerechnet, unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]

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