Kündigung eines Mitarbeiters wegen angeblicher Minderleistung
Der Fall 1: Ein führender Mitarbeiter in einem großen Unternehmen erhielt eine Kündigung wegen angeblicher Minderleistung. Gegen diese Kündigung erhob er Kündigungsschutzklage. In dem Kündigungsschutzprozess beanspruchte der Mitarbeiter Auskunft vom Arbeitgeber über sämtliche zu seiner Person gespeicherten Daten. Der Arbeitgeber hielt dagegen und berief sich auf den Schutz berechtigter Interessen im Zusammenhang mit „Whistleblowern“. Darunter versteht man Personen, die Informationen zur Aufdeckung von Straftaten oder sonstigen Verstößen liefern. Der Arbeitgeber meinte, es müssten hier Personen geschützt werden, die Informationen über Verstöße des Klägers geliefert hätten.
Arbeitgeber verliert vor Gericht
Das Urteil: Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg folgte der Argumentation des Arbeitgebers nicht (20.12.2018, Az. 17 Sa 11/18). Vielmehr bejahte es den Auskunftsanspruch des Mitarbeiters. Zwar könne der Schutz von Informanten bzw. „Whistleblowern“ ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse begründen. Allerdings müsse der Arbeitgeber, der sich darauf beruft, im Einzelnen darlegen, woraus sich das Geheimhaltungsinteresse ergibt. Pauschale Hinweise auf die Notwendigkeit der Anonymität für das Funktionieren eines Informantensystems reichten nicht aus.
Die Reichweite des Auskunftsanspruchs
Der Fall 2: Nicht ganz so weit ging das LAG Niedersachsen (6.6.2020, Az. 9 Sa 608/19). Das Gericht schränkte die Auskunftspflicht des Arbeitgebers ein bzw. sah sie enger im Rahmen der Gesetze. Der Auskunftsanspruch gehe nicht über die in Art. 15 Abs. 1 DSGVO geregelten Pflichtangaben hinaus. Bei großen Datenmengen müsse die Person, die die Auskunft verlangt, konkretisieren, welche Dokumente sie verlange, und begründen, warum sie ihr nicht bereits vorlägen. Ein Anspruch auf Überlassung ganzer Datensätze bestehe nicht. Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs sei es, eine Überprüfung der Datenverarbeitung zu ermöglichen, aber nicht, vollständige Kopien aller Unterlagen zu erhalten. Dem Mitarbeiter sei der E-Mail-Verkehr, den er geführt habe, bekannt. Auch hier gab es keine inhaltliche höchstrichterliche Entscheidung.
Die Meinung des BGH und BAG
Die Entscheidung: Interessant ist, dass der Bundesgerichtshof (BGH) am 15.6.2021 (Az. 6 ZR 576/19) einen recht weitgehenden Auskunftsanspruch angenommen hat, also eher der Linie des LAG Baden-Württemberg als derjenigen des LAG Niedersachsen gefolgt ist. Allerdings ist der BGH für Arbeitsrechtsfragen nicht zuständig. Daher ging es in dem Verfahren vor dem BGH auch nicht um den Auskunftsanspruch gegen eine*n Arbeitgeber*in, sondern gegen eine Versicherung. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 16.12.2021 (Az. 2 AZR 235/21) für den Bereich des Arbeitsrechts immerhin festgestellt, dass ein Klageantrag auf Auskunftserteilung nicht zu unbestimmt sein dürfe. Es reiche nicht aus, einfach nur den Gesetzeswortlaut von Art. 15 DSGVO zu wiederholen.
Die Arbeitsgerichte folgen bislang überwiegend eher der zurückhaltenden Linie des LAG Niedersachsen. Lassen Sie sich davon aber nicht beeinflussen. Denn jeder Einzelfall ist anders.