AUFBAUWISSEN

Auch für die Betreuung und Pflege von Senioren gibt es die Qual der Wahl

Für die Betreuung der Kinder gibt es die Elternzeit. Dadurch erhalten Ihre Kolleg*innen eine Entlastung mit sicherem Rückkehrrecht. Für die Betreuung bzw. Pflege der älteren Generation gibt es hingegen einen bunten Strauß an verschiedenen Pflegezeiten.

Michael Tillmann

06.06.2025 · 5 Min Lesezeit

Die Pflege der Eltern oder sonstiger Angehöriger bekommt durch die zunehmend höhere Lebenserwartung und die Erhöhung des Anteils älterer Menschen in der Gesellschaft immer mehr Bedeutung. Der Gesetzgeber hat darauf vor einigen Jahren reagiert und versucht, auch für die Betreuung „am anderen Ende“ der Familiengenerationen Entlastung zu schaffen.

Dabei hat der Gesetzgeber die Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit ein bisschen kompliziert und unübersichtlich in 2 verschiedenen Gesetzen geregelt. Die beiden Gesetze gehören aber inhaltlich zusammen und nehmen aufeinander Bezug. Die Gesetze heißen

  • Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und
  • Familienpflegezeitgesetz (FPfZG).

Das sind die 3 Arten der Pflegezeit

Insgesamt kann man 3 Arten der Pflegezeit unterscheiden. Jede hat ihre jeweils eigenen Voraussetzungen sowie ihre eigenen Möglichkeiten und Grenzen. Dabei werden mit zunehmender Dauer der Pflegezeit die Voraussetzungen strenger und die inhaltlichen Möglichkeiten eingeschränkter.

  1. Das kürzeste und einfachste Modell ist die sogenannte kurzzeitige Arbeitsverhinderung bis 10 Arbeitstage gemäß § 2 PflegeZG.
  2. Für längeren Pflegebedarf bietet sich die Pflegezeit bis 6 Monate nach § 3 PflegeZG an.
  3. Wenn 6 Monate noch nicht ausreichen, kann man ggf. auf die Familienpflegezeit bis 24 Monate gemäß § 2 FPfZG zurückgreifen.

Das sind die Voraussetzungen für eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung zur Pflege bis 10 Arbeitstage

Damit Sie einen Anspruch auf Pflegezeit haben, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Das kurzzeitige Fernbleiben von der Arbeit muss für die Pflege eines*einer nahen Angehörigen erforderlich sein. Zu den nahen Angehörigen zählen insbesondere Ehegatt*innen, Eltern und Kinder, aber auch noch weitere Personen. Wer alles dazugehört, hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 PflegeZG genau aufgeschrieben.
  • Die Arbeitsverhinderung ist dem*der Dienstgebenden „unverzüglich“, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, mitzuteilen.
  • Auf Verlangen muss der*die Mitarbeitende dem*der Dienstgebenden eine ärztliche Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit und die Erforderlichkeit der Pflege vorlegen.

Das sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Pflegezeit bis 6 Monate

Damit Sie einen Anspruch auf Pflegezeit haben, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die vollständige oder teilweise Freistellung muss für die Pflege eines*einer nahen Angehörigen erforderlich sein. Für den Begriff „nahe*r Angehörige*r“ gilt wiederum die Definition in § 7 Abs. 2 PflegeZG.
  • Der*Die Arbeitgebende muss zudem mindestens 15 Arbeitnehmende beschäftigen. Auszubildende werden dabei nicht mitgezählt. Es zählen auch hier „alle Köpfe“, also nicht etwa Teilzeitstellen nur anteilig wie beim Kündigungsschutzgesetz (KSchG).
  • Der*Die Mitarbeitende muss dem*der Dienstgebenden die Pflegezeit spätestens 10 Arbeitstage vor Beginn schriftlich ankündigen und dabei erklären, in welchem Umfang er*sie Freistellung (ganz oder teilweise? Wie viele Wochenstunden?) in Anspruch nehmen will.

Der*Die Arbeitgebende kann bei teilweiser Freistellung zur Pflege die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit nur ablehnen, wenn „dringende“ betriebliche Gründe vorliegen.

Es reicht aber natürlich nicht aus, dass der*die Arbeitgebende einfach nur behauptet, es gebe dringende betriebliche Gründe. Vielmehr muss er*sie diese Gründe auch hier ganz konkret benennen und nachweisen.

Das sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienpflegezeit bis 24 Monate

Für einen Anspruch auf die bis zu 24 Monate lange Familienpflegezeit müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die vollständige oder teilweise Freistellung muss auch hier für die Pflege eines*einer nahen Angehörigen erforderlich sein. Für den Begriff „nahe*r Angehörige*r“ gilt wiederum die Definition in § 7 Abs. 2 PflegeZG.
  • Ihr*e Arbeitgeber*in muss zudem mindestens 25 Arbeitnehmende beschäftigen. Auszubildende werden dabei nicht mitgezählt. Es zählen auch hier „alle Köpfe“, also nicht etwa Teilzeitstellen nur anteilig wie beim KSchG.
  • Der*Die Mitarbeiter*in muss Ihrem*Ihrer Dienstgebenden die Pflegezeit spätestens 8 Wochen vor Beginn schriftlich ankündigen und dabei erklären, in welchem Umfang er*sie eine Verringerung der Arbeitszeit auf mindestens 15 Wochenstunden in Anspruch nehmen will.

Ihr*e Arbeitgeber*in kann die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit auch hier nur ablehnen, wenn „dringende“ betriebliche Gründe konkret und nachweisbar vorliegen.

Die Familienpflegezeit erfordert eine Vereinbarung

Für die Familienpflegezeit ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Dienstgeber*in und Mitarbeiter*in abzuschließen. Diese Vereinbarung muss zwingend folgende Angaben enthalten:

  1. Name, Geburtsdatum, Adresse und Angehörigenstatus der zu pflegenden Person
  2. Umfang der Arbeitszeit vor Beginn der Familienpflegezeit
  3. Dauer der Familienpflegezeit
  4. Umfang der reduzierten Arbeitszeit während der Pflegephase
  5. wöchentliche Arbeitszeit nach Rückkehr aus der Pflegephase
  6. Höhe der Aufstockung des monatlichen Arbeitsentgelts
  7. Regelung über den Ausgleich des Wert- oder Arbeitszeitguthabens in der Nachpflegephase
  8. Regelung bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses
  9. Nachweis der Familienpflegezeitversicherung
  10. Verpflichtung, den*die Dienstgeber*in bei vorheriger Beendigung der häuslichen Pflege des*der pflegebedürftigen Angehörigen darüber unverzüglich zu unterrichten
  11. Ende der Familienpflegezeit

So können Sie die verschiedenen Pflegezeiten finanzieren

Einen finanziellen Ausgleich für den durch die Auszeit entgangenen Lohn erhalten die betroffenen Mitarbeitenden vom*von der Dienstgebenden in aller Regel nicht.

  • Sie können aber bei der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung von bis zu 10 Tagen Pflegeunterstützungsgeld nach § 44a Abs. 3 Sozialgesetzbuch XI erhalten. Dabei werden 90 % der Nettolohndifferenz erstattet.
  • Für die Pflegezeit von bis zu 6 Monaten und die Familienpflegezeit von bis zu 24 Monaten besteht gemäß § 3 FPfZG Anspruch auf ein zinsloses staatliches Darlehen zur Abfederung der Einkommensverluste.

Spezialteilzeit zur Pflege nach Kirchenarbeitsrecht

Im Bereich des Kirchenarbeitsrechts gibt es noch einige Sondervorschriften, die zusätzliche Möglichkeiten der vorübergehenden Teilzeitarbeit zur Wahrnehmung familiärer Aufgaben eröffnen.

Nach mehreren kirchlichen Vorschriften „soll“ auf Antrag eine Teilzeittätigkeit vereinbart werden, wenn der*die Mitarbeitende ein Kind unter 18 Jahren oder eine*n pflegebedürftige*n Angehörige*n zu betreuen hat. Es handelt sich also um eine spezielle Teilzeit wegen Pflege. Diese Regelungen gelten insbesondere für:

  • Ärztinnen und Ärzte
  • Mitarbeitende im Pflegedienst in Krankenhäusern und sonstigen Einrichtungen
  • Mitarbeitende im Sozialdienst
  • Mitarbeitende im Erziehungsdienst

Die Rechtsgrundlagen hierfür finden sich in:

  • § 9 BAT-KF
  • § 1 a Anlage 5 AVR Caritas
  • § 9 Anlage 30 AVR Caritas
  • § 10 Anlagen 31 bis 33 AVR Caritas
  • Vorschriften in den Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnungen der einzelnen Bistümer (KAVO bzw. AVO) wie z. B. in § 14b KAVO für das Erzbistum Köln u. a.

So läuft das Verfahren

Folgende Voraussetzungen müssen gegeben sein:

  1. Es muss sich um die Pflege eines Kindes unter 18 Jahren oder eines*einer laut ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen Angehörigen handeln.
  2. Die Pflege bzw. Betreuung muss auch tatsächlich stattfinden.
  3. Es dürfen keine dringenden dienstlichen Belange dem Antrag entgegenstehen.

Wenn die Voraussetzungen vorliegen, kann der*die betroffene Mitarbeiter*in einen einfachen formlosen Antrag stellen. Der Antrag ist nicht an eine bestimmte Frist gebunden. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich natürlich, den Antrag schriftlich und mit ausreichendem Vorlauf – mindestens einige Wochen vor dem gewünschten Beginn der Teilzeit – einzureichen.

Die Teilzeit kann auf Antrag befristet werden auf bis zu 5 Jahre. Sie kann also – muss aber nicht – die Form der Brückenteilzeit annehmen. Eine Verlängerung ist möglich. Hierfür gilt dann allerdings eine Frist von 6 Monaten vor Ablauf der ursprünglichen Befristung.

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Seit mittlerweile mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich mit dem Arbeitsrecht von A wie Abmahnung über K wie Kündigung bis Z wie Zeugnis. Gesetzgeber und Rechtsprechung sorgen dafür, dass […]

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