RECHTSPRECHUNG FÜR DEN BETRIEBSRAT

Arbeitgeber muss Schadenersatz leisten

Regelt der Arbeitsvertrag von Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmerinnen, dass es eine erfolgsabhängige Vergütung nach erreichten Zielen geben soll, macht sich der Arbeitgeber schadenersatzpflichtig, wenn er nicht über eine Zielvereinbarung verhandelt, sondern die Ziele stattdessen einseitig festlegt. Das gilt auch, wenn eine entsprechende AGB-Klausel regeln sollte, dass der Arbeitgeber sich vorbehält, die Ziele ohne eine Verhandlung einseitig festzulegen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung klargestellt (3.7.2024, Az. 10 AZR 171/23).

Friederike Becker-Lerchner

02.06.2025 · 3 Min Lesezeit

Arbeitnehmer fordert Schadenersatz für entgangene variable Vergütung

Viele Arbeitnehmer erhalten heute zusätzlich zum Gehalt eine variable Vergütung. Basis dafür ist in der Regel eine Zielvereinbarung. Eine solche muss einvernehmlich getroffen werden. Hier hatte ein Arbeitnehmer im März 2020 eine neue Stelle als Director Development im Bereich Schiffe angetreten. Für seine Tätigkeit sollte er ein Grundgehalt sowie eine erfolgsabhängige variable Vergütung erhalten. Sein Arbeitsvertrag, den er im Februar 2020 unterschrieb, regelte, dass die Ziele, die für das Erreichen der variablen Vergütung erforderlich sind, jedes Jahr neu vom Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer festgelegt werden.

Erstmals sollte das entsprechende Gespräch zum Ende der Probezeit stattfinden. Allerdings kam es bereits kurz nach Ende der Probezeit zu Unstimmigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer.

Arbeitnehmer fordert Arbeitgeber zu Verhandlungen auf

Der Arbeitnehmer forderte seinen Arbeitgeber auf, mit ihm über die Zielvereinbarung zu verhandeln. Der sandte ihm daraufhin seine Vorstellungen zu. Diese hielt der Beschäftigte allerdings für unangemessen. Der Arbeitnehmer machte daraufhin einen Gegenvorschlag, den er an den Arbeitgeber schickte.

Diesen Vorschlag lehnte der dann allerdings ab. Er legte stattdessen die Ziele für den Arbeitnehmer nach seinem eigenen Ermessen fest. Sein Vorgehen begründete er mit dem Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers, der neben der bereits angesprochenen Klausel zur variablen Vergütung zudem regelte: „Sollten die Kriterien nicht zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden, werden diese seitens der Gesellschaft nach billigem Ermessen vorgegeben.“

Ende des Jahres 2020 kündigte der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber. Grund dafür war u. a., dass dieser sich weigerte, ihm eine variable Vergütung in Höhe von 97.000 € auszuzahlen. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass er berechtigt gewesen sei, die Zielvorgabe nach dem Arbeitsvertrag einseitig festzulegen. Der Arbeitnehmer sah das anders. Er verklagte seinen früheren Arbeitgeber deshalb auf Schadenersatz.

Arbeitnehmer hat Anspruch auf Schadenersatz

Das Gericht entschied, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von ca. 83.000 € wegen der entgangenen erfolgsabhängigen variablen Vergütung für das Jahr 2020 gegenüber seinem Arbeitgeber hat. Damit bestätigte das BAG die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das einen Teil des eingeklagten Betrags in Höhe von 14.000 € abgewiesen hatte.

In seiner Begründung stellte das Gericht darauf ab, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht, die Ziele mit dem Arbeitnehmer zu verhandeln und eine Zielvereinbarung für das Jahr abzuschließen, klar nicht nachgekommen sei.

Die Richter stellten klar, dass der Arbeitgeber die Ziele nicht einseitig festlegen durfte. Denn die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag sei unwirksam. Sie benachteilige den Arbeitnehmer nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, da sie dem Arbeitgeber ermögliche, die vertraglich vereinbarte Rangfolge von Zielvereinbarung und Zielvorgabe zu unterlaufen.

Welche Probleme in der Praxis mit Zielvereinbarungen auftreten

Das Gefährliche an Zielvereinbarungen ist, dass es vielen Arbeitgebern schlicht darum geht, ihre Ziele durchzusetzen. Stehen diese Ziele im Vordergrund einer solchen Vereinbarung, nimmt im Ergebnis für Sie und Ihre Kollegen meistens lediglich der Leistungsdruck zu. Hinzu kommt, dass die Ziele häufig von vornherein nicht erreichbar sind. Das ist dann frustrierend für die Betroffenen. Außerdem führt es meist mittelbar oder unmittelbar zu Gehaltseinbußen, da die Ziele in der Regel an Prämien gebunden sind.

Negativeffekte von Zielvereinbarungen vermeiden

Sorgen Sie als Betriebsrat dafür, dass die Negativeffekte eines Zielvereinbarungssystems nicht eintreten. Passen Sie auf, dass für Ihren Kolleginnen und Kollegen nicht ein unzumutbarer Leistungsdruck durch die Vereinbarung überhöhter Ziele entsteht. Am besten stellen Sie das durch eine Betriebsvereinbarung sicher. Sorgen Sie dafür, dass auch die Interessen Ihrer Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf Arbeitsplatzsicherheit, ein angemessenes Gehalt und günstige Arbeitsbedingungen in die Vereinbarung einfließen. Hier haben Sie weitreichende Möglichkeiten.

Wichtig: Arbeitgeber dürfen Ziele vorgeben

Arbeitgeber sind nicht grundsätzlich verpflichtet, Ziele mit Arbeitnehmern zu verhandeln. Sie können diese grundsätzlich auch einseitig vorgeben. Hier war das allerdings nicht möglich, da sich der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag verpflichtet hatte, die Ziele gemeinsam mit dem Arbeitnehmer festzulegen. Gibt es eine entsprechende Regelung, haben sich die Arbeitgeber daran zu halten. Der Arbeitgeber sei in einem solchen Fall verpflichtet, mit dem Beschäftigten Verhandlungen zu führen.

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Ich publiziere seit über 20 Jahren im Bereich Arbeitsrecht. Seit 2005 unterstütze ich Betriebsräte in ganz Deutschland Monat für Monat bei ihren fachlichen Herausforderungen. Darüber hinaus bin ich als Rechtsanwältin, […]