Das war passiert: Betriebsratswahl angefochten
Der Fall: Geklagt hatten insgesamt 9 Kandidaten einer unterlegenen Liste. Sie hatten u. a. den Umfang der Briefwahl beanstandet. Hier habe der Wahlvorstand gegen den Vorrang der Urnenwahl vor der Briefwahl verstoßen, indem er für alle im Homeoffice oder in Kurzarbeit befindlichen Arbeitnehmer Briefwahl angeordnet habe. Die Klagenden monierten zudem, dass viele Wahlberechtigte die Briefwahlunterlagen verspätet erhalten hätten. Zudem seien die Briefwahlrückläufer nicht hinreichend gegen Entwendung und Manipulation geschützt worden. Ein Versand der Briefwahlunterlagen in den vorliegenden Fällen sei von der Wahlordnung nicht gedeckt. Darüber hinaus beschwerten sich Kandidaten, dass die Wahlwerbung der nicht von der IG Metall aufgestellten Liste behindert worden sei.
Vor dem Arbeitsgericht Braunschweig gewannen im Sommer 2022 die 9 Kandidaten der unterlegenen Liste. Dagegen wehrten sich der Betriebsrat und der Arbeitgeber, also die Volkswagen AG, vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen erfolgreich (LAG Niedersachsen, 30.8.2023, Az. 13 TaBV 46/22).
Das LAG hat auf die Beschwerden des Arbeitgebers und von dessen Betriebsrat hin die Entscheidung des Arbeitsgerichts Braunschweig aufgehoben. Es hat entschieden, dass es keine zur Anfechtbarkeit führenden Verstöße gegen das vorgeschriebene Wahlverfahren gab. Dem hat sich das BAG nun im Wesentlichen angeschlossen.
BAG weist die Angelegenheit an das LAG zurück
Die Entscheidung: Das BAG lehnte die Anfechtbarkeit ebenfalls ab. Es verwies die Sache allerdings zur erneuten Anhörung an das LAG Niedersachsen zurück. Ihre Entscheidung begründeten die Richter mit der Wahlordnung (WO). Sie stellten klar, dass die Fälle einer zulässigen Briefwahl in der Wahlordnung abschließend geregelt sind. Nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO erhalten die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe diejenigen Wahlberechtigten, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses nicht im Betrieb anwesend sein werden. Und zwar ohne dass die Betreffenden die Zusendung verlangen müssen. Hierunter fallen Arbeitnehmer, die während der Wahl wegen vorübergehend ausgeübter mobiler Tätigkeit und wegen Kurzarbeit betriebsabwesend sind.
Ob und inwieweit Unterlagen auch an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschickt wurden, die im Wahlzeitraum vor Ort im Betrieb arbeiteten und eigentlich an der Präsenzwahl hätten teilnehmen können, konnte das BAG nicht abschließend klären. Das ist jedoch wichtig im Hinblick auf einen eventuellen Verstoß gegen § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO. Deshalb hat nun das LAG Niedersachsen zu klären, ob es in dem Punkt zu einem Verstoß gekommen ist.
Wer wann eine Wahl anfechten kann
Wenn bei der Betriebsratswahl gegen wesentliche Vorschriften oder das Wahlrecht, Wahlverfahren oder die Wählbarkeit verstoßen wurde, haben der Arbeitgeber und auch die Arbeitnehmer die Möglichkeit, die Wahl beim Arbeitsgericht anzufechten (§ 19 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)). Das muss innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses geschehen. Erklärt das Arbeitsgericht die Wahl für ungültig, muss ein komplett neuer Wahlgang mit korrektem Ablauf gestartet werden.
Ist die 2-Wochen-Frist ergebnislos abgelaufen, sind die Mängel, die eine Anfechtung der Betriebsratswahl rechtfertigen und nicht zur Nichtigkeit führen, geheilt. Danach erlischt das Anfechtungsrecht und das Wahlergebnis ist wirksam und verbindlich. Anfechtungsberechtigt sind nach § 19 Abs. 2 BetrVG mindestens 3 wahlberechtigte Mitarbeiter Ihres Betriebs, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder Ihr Arbeitgeber.
Zur Unwirksamkeit führen nur grobe Schnitzer
Selbst wenn es bei Ihren Betriebsratswahlen gleich mehrere Anfechtungsgründe geben sollte, ist die Wahl nicht notwendigerweise unwirksam. Nur wenn ein so offensichtlicher und grober Verstoß gegen die Wahlgrundsätze vorliegt, dass nicht einmal mehr der Anschein einer rechtmäßigen Wahl besteht, ist die Wahl ungültig.