Schwerpunktthema

BEM: So gestalten Sie es effektiv

Im Rahmen meiner Anwaltstätigkeit stelle ich immer wieder fest, dass das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nicht wirklich genutzt wird. Oft ist es eine reine Alibiveranstaltung. Das war aber nicht der Wille des Gesetzgebers, das BEM soll der Beschäftigungssicherung und Gesunderhaltung der Mitarbeitenden dienen. Damit Ihnen das besser gelingt, halten Sie sich an die folgenden Grundsätze:

Maria Markatou

01.08.2024 · 5 Min Lesezeit

6 Wochen Krankheitszeiten innerhalb
von 12 Monaten als Durchführungsgrenze

Stellen Dienstgebende fest, dass Mitarbeitende immer wieder oder über längere Zeit hinweg erkrankt sind, soll mit innerdienstlichen Mitteln versucht werden, die Gesundheit bzw. die Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Somit steht das BEM quasi zwischen Prävention und Nachsorge. § 167 Sozialgesetzbuch (SGB) IX regelt eine Pflicht Ihrer Dienststellenleitung zur Durchführung des BEM. Sie muss also, ob sie will oder nicht.

Das ist gut. Denn Gesunderhaltung heißt Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen und Sicherung des Arbeitsplatzes. Das ist in der heutigen Zeit so wichtig wie noch nie! Bei der konkreten Durchführung des BEM sind Sie gefragt, wie das folgende Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt – das auf Sie als MAV übertragbar ist (BAG, 19.11.2019, Az. 1 ABR 36/18):

Einigungsstelle entscheidet bei Nichteinigung

Der Fall: Ein Betriebsrat konnte sich mit seinem Arbeitgeber, einem Unternehmen, das bundesweit Geldtransporte durchführt, nicht über eine Betriebsvereinbarung zum Regelungsgegenstand BEM einigen. Die Parteien konnten sich vor allem nicht darüber einigen, inwieweit der Betriebsrat mitbestimmen darf.

Es wurde deshalb eine Einigungsstelle eingesetzt. Diese formulierte in ihrem Spruch unter anderem die Ziele und Abgrenzung des BEM sowie eine Regelung zur Information der Arbeitnehmenden. Der weitere Vorschlag des Betriebsrats, ein Verfahren zur Analyse der Arbeitsfähigkeit durch ein Arbeitsfähigkeits-Coaching zu regeln, fand in der Einigungsstelle jedoch keine Mehrheit.

Der Vorsitzende der Einigungsstelle übersandte dem Betriebsrat eine nicht unterzeichnete Ausfertigung des Beschlusses nebst Begründung. Doch der Betriebsrat ließ nicht locker. Er ging gerichtlich gegen den Einigungsstellenspruch vor. Dabei berief er sich darauf, dass die Einigungsstelle ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Vor allem monierte er, dass der Begriff Arbeitsunfähigkeit nicht konkret geklärt worden sei.

Das Urteil: Das BAG hielt den Einigungsstellenspruch für unwirksam, allerdings nicht wegen der fehlenden Klärung von Begriffen, sondern wegen formaler Fehler (§ 76 Abs. 3 Satz 4 Betriebsverfassungsgesetz). So wurde der Einigungsstellenspruch dem Betriebsrat nicht mit der Originalunterschrift des Vorsitzenden der Einigungsstelle übermittelt. Die Richter entschieden, die Zuleitung eines Einigungsstellenspruchs als bloße Textdatei genüge nicht.

Das Gericht wies in seiner Entscheidung auch darauf hin, dass die Betriebsparteien bei der Ausgestaltung eines BEM für jede einzelne Regelung inhaltlich prüfen müssten, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats vorliege.

Meine Meinung: Das BEM ist essenziell für erkrankte Kolleg*innen, Sie sollten sich daher immer mit Ihrer Dienststellenleitung einigen können. Wenn man hier in die Einigungsstelle muss, zeigt das schon, dass der Dienststellenleitung nicht viel an den Mitarbeitenden gelegen ist.

Fazit: MAV hat Überwachungsfunktion
Damit hat das Gericht ganz klar festgestellt, dass Sie als MAV mit im Boot sind. Ihre Aufgabe ist es, die Durchführung des BEM zu überwachen (§ 167 SGB IX). Sie müssen also prüfen, ob Ihre Dienstherrin ein BEM durchführt. Zudem sollte dieses darauf ausgelegt sein, dass Betroffene ihren Arbeitsplatz behalten können. Dieser Aufgabe kommen Sie am besten nach, indem Sie sich mit IhremIhrer Dienstherrin auf eine Dienstvereinbarung zum BEM einigen. Darin können Sie das für Ihre Mitbestimmung so wichtige Informationsrecht festschreiben.

Bedenken Sie bei Ausübung Ihrer Mitbestimmungsrechte immer, dass es Sinn und Zweck des BEM ist, zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und die Fehlzeiten verringert werden können. Im BEM sollen des Weiteren Maßnahmen festgelegt werden, mit denen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt, der Arbeitsplatz erhalten und die Fähigkeiten des*der Arbeitnehmenden weiter genutzt werden können, um eine erhöhte Einsatzfähigkeit und Produktivität zu gewährleisten.

Sie haben die Initiative!

Oft leiten Dienststellenleitungen das BEM ein und behalten dann auch die Zügel in der Hand. Ich finde das nicht richtig – denn wir wissen alle, für die Dienstgebenden ist das BEM die Stufe eins vor der Kündigung. Außerdem haben Sie als MAV hier ein Initiativrecht. Warum sollten Sie dieses nicht nutzen?

Ordnung in der Dienststelle ist berührt

Überdies geht es um die Ordnung in der Dienststelle. Dieses erzwingbare Mitbestimmungsrecht besteht auch, wenn das Verhalten der Mitarbeitenden betroffen ist. Ein zentraler Teil des BEM könnte z. B. Krankenrückkehrgespräche beinhalten, die systematisch – also nicht nur im Einzelfall – bei allen genesenen Mitarbeitenden geführt werden sollen. Ohne Ihre Beteiligung darf Ihr*e Dienstgeber*in kein BEM einführen. Sie sind in jedem Fall zu beteiligen. Meine Empfehlung an Sie ist: Schließen Sie mit Ihrem*Ihrer Dienstgeber*in eine Rahmenvereinbarung, die ihn*sie verpflichtet, im konkreten Fall ein Eingliederungsmanagement durchzuführen.

So sieht das auch die Rechtsprechung: Bei BEM-Regelungen mit formalisierten Verfahren besteht ein Mitbestimmungsrecht zur Ordnung des Betriebs und des Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer in der Dienststelle. Dies betrifft beispielsweise das Führen von Krankengesprächen (BAG, 8.11.1994, Az. ABR 22/94) oder die Einsetzung und Besetzung einer bzw. der Einigungsstelle.

Oft sind bei BEM-Regelungen auch technische Einrichtungen betroffen. Hier ist ein Mitbestimmungsrecht denkbar, wenn die technische Einrichtung geeignet ist, einzelne Mitarbeitende bzw. die Mitarbeitenden zu überwachen.

Bei Fragen des Gesundheitsschutzes reden Sie mit

Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht haben Sie im Übrigen auch bei Regelungen über den Gesundheitsschutz. Hierzu zählt auch das BEM.

Lassen Sie Ihre Kolleg*innen nicht allein

Ganz unabhängig von Ihrer Mitbestimmung sollten Sie Ihre Kolleg*innen bei der Durchführung des BEM-Verfahrens nicht allein lassen. Denn: Der Gesetzgeber hat es mit der Einführung des Verfahrens gut gemeint. Kranke sollen wieder fit gemacht werden.

Der Ansatzpunkt Ihrer Dienstgebenden ist aber ein anderer. Sie lauern leider in vielen Fällen auf das Scheitern des BEM, um dann eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen zu können. Dieser Zusammenhang ist natürlich auch den betroffenen Kolleg*innen klar und macht die Sache nicht einfacher für diese. Im Gegenteil, diese Situation ist psychisch äußerst belastend.

Wichtig: BEM ist wichtig
Ihre betroffenen Kolleginnen sollten das BEM dennoch durchführen und nicht die Flinte ins Korn werfen, nach dem Motto „Mir wird doch eh gekündigt“. Denn zum einen würden sie sich die Chance der Wiedereingliederung vergeben und zum anderen müssten sie sich im Arbeitsgerichtsverfahren nach einer Kündigung auch unangenehme Fragen gefallen lassen. DenDie Arbeitsrichterin wird immer interessieren, warum derdie Mitarbeitende diese Chance nicht genutzt hat. Die Erfolgsaussichten werden so auf jeden Fall geschmälert.

Auf welche Schritte Sie bei einem BEM achten sollten, das lesen Sie in der folgenden Checkliste:

Arbeitshilfen

  • Die wichtigsten Schritte beim BEM auf einen Blick

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Ich habe Rechtswissenschaften in München studiert und bin seit 2004 als Rechtsanwältin zugelassen. Von 2004 bis 2017 war ich Partnerin der Kanzlei Löffler & Partner in München. Seit 2017 bin […]