BEM und die konkrete Umsetzung
Sie wissen, dass Sie ein Initiativrecht haben. Wichtig ist für Sie aber auch, zu wissen, wie Sie mit Ihrem Arbeitgeber zusammen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) erfolgreich im Betrieb verankern können. Denn die erfolgreiche Durchführung eines BEM setzt vor allem eine gute Struktur voraus. Im Folgenden lege ich Ihnen als Betriebsrat dar, wie Sie in 7 Schritten gemeinsam mit Ihrem Arbeitgeber ein BEM durchführen.
1. Schritt: Fehlzeiten erfassen
Nicht bei jedem Schnupfen Ihrer Kollegen ist gleich an ein BEM zu denken. Vielmehr ist ein BEM nur durchzuführen, wenn ein Beschäftigter
- innerhalb eines Jahres
- länger als 6 Wochen ununterbrochen oder
- wiederholt arbeitsunfähig war, § 167 SGB IX.
2. Schritt: Krankheitszeiten erfassen
Rechnen Sie 12 Monate zurück. Denn nur, wenn Sie die Krankheitszeiten der vergangenen 12 Monate im Auge haben und erfassen, wissen Sie bzw. weiß Ihr Arbeitgeber, ob er ein BEM durchführen muss.
3. Arbeiten Sie mit Ihrem Arbeitgeber zusammen
Stellt Ihr Arbeitgeber fest, dass bei einem Arbeitnehmer ein BEM durchzuführen ist, darf er nicht allein handeln. Er muss mit Ihnen als Betriebsrat, dem betroffenen Arbeitnehmer und eventuell der Schwerbehindertenvertretung klären, welche Maßnahmen im Rahmen des BEM durchgeführt werden sollen.
Hier sollten Sie dahingehend auf Ihren Arbeitgeber einwirken, dass er nicht gleich alle – also den Arbeitnehmer und die angesprochenen Stellen – an einen Tisch setzt. Das wäre unter Umständen noch zu früh. Zunächst sollte er nur an Sie als Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung bzw. bei Bestehen Ihr Integrationsteam (ein auf freiwilliger Basis zu bildendes Team bestehend aus einem Vertreter von Ihnen, der Schwerbehindertenvertretung und Ihrem Arbeitgeber) herantreten und darauf hinweisen, dass bei einem Arbeitnehmer die Durchführung eines BEM ansteht.
4. Schritt: Sprechen Sie mit den übrigen Beteiligten
Als Nächstes muss Ihr Kollege mit ins Boot geholt werden. Ihr Arbeitgeber sollte ihn schriftlich zu einem Gespräch über das BEM einladen. Sie als Betriebsrat sollten an dem Gespräch teilnehmen – es sei denn, der Kollege spricht sich ausdrücklich gegen Ihre Anwesenheit aus.
In diesem Erstgespräch muss Ihr Arbeitgeber dem betroffenen Kollegen dann mitteilen, was es mit dem BEM konkret auf sich hat. Es sollte also darum gehen,
- welche Ziele mit dem BEM verfolgt werden (Eingliederung vor Kündigung),
- wie lange das BEM dauern kann (6 Monate, 1 Jahr oder noch länger),
- welche Maßnahmen auf ihn zukommen können,
- ob und – wenn ja – welche Krankheitsdaten er preisgeben muss und
- wie diese Daten geschützt werden.
Um ein BEM wirklich umsetzen zu können, wird Ihr Kollege Atteste des behandelnden Arztes vorlegen, den Arzt eventuell von der Schweigepflicht entbinden oder zumindest eine ausführliche Stellungnahme des Arztes vorlegen müssen. Aus einer solchen muss hervorgehen, inwieweit Ihr Kollege noch leistungsfähig ist.
Sagen Sie ihm dies offen. Oft wissen Betroffene gar nicht, worum es beim BEM im Detail geht, und sind dann geschockt, wenn sensible Daten übergeben werden sollen.
5. Schritt: Sprechen Sie mit den übrigen Beteiligten
Hat sich Ihr Kollege mit der Durchführung des BEM einverstanden erklärt, können Sie sich mit ihm, Ihrem Arbeitgeber und, bei schwerbehinderten Kollegen, mit der Schwerbehindertenvertretung zusammensetzen. Ziel ist es, gemeinsam die zu treffenden Maßnahmen zu besprechen.
Im Gespräch sollten unter anderem die folgenden Fragen geklärt werden:
- Seit wann ist der Mitarbeiter erkrankt?
- In welcher Form treten die Fehlzeiten auf (lang andauernde, häufige Kurzerkrankungen)?
- Liegt eine Schwerbehinderung/Gleichstellung vor?
- Ist ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Arbeitsplatz erkennbar?
- Sind bereits medizinische Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt worden oder geplant (dadurch kann sich für Ihr BEM noch einmal Änderungsbedarf ergeben)? Wenn ja: welche Maßnahmen in welchem Zeitraum?
- Kann die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes optimiert werden?
- Können die Arbeitsbelastungen minimiert werden – etwa durch flexible Arbeitszeitmodelle?
- Gibt es leidensgerechte Einsatzmöglichkeiten?
Anhand der Antworten auf diese Fragen können Sie leichter erkennen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.
6. Schritt: Legen Sie konkrete Maßnahmen fest
Am Ende des gemeinsamen Gesprächs sollten Sie dann festlegen, welche Maßnahmen konkret getroffen werden, um die Arbeitskraft des Beschäftigten zu erhalten.
Folgende Maßnahmen sollten Sie dabei in Betracht ziehen:
- eine vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit auf Teilzeit,
- ist eine Arbeitsunfähigkeit durch einen Bandscheibenvorfall oder andere ernsthafte Rückenprobleme hervorgerufen, kann Arbeit im Wechsel helfen (teils sitzend, teils stehend),
- generell können flexible Arbeitszeitmodelle wie die Telearbeit sich häufig entlastend auswirken.
Prüfen Sie im Rahmen Ihrer Überlegungen auch, ob eine Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz sinnvoll sein kann. Und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, dass insoweit entsprechende Schulungen notwendig werden könnten. Auch diese wären vom BEM erfasst.
- Je nach Erkrankung hilft unter Umständen auch schon die Anschaffung ergonomischer Möbel.
- Möglich ist zudem der Wechsel von Mehrschichtarbeit in Einschichtarbeit oder ein Stellungswechsel von einem Steharbeitsplatz an einen Büroarbeitsplatz.
- Außerdem ist an eine stufenweise Wiedereingliederung zu denken, wenn ein Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum erkrankt war.
Achten Sie als Betriebsrat in jedem Fall auf die Festlegung geeigneter Maßnahmen. Gehen Sie dabei stets vom konkret betroffenen Arbeitnehmer aus. Prüfen Sie anhand von dessen Geschichte, was bei ihm mit dem BEM für ein Ziel verfolgt werden soll.
Bei entsprechenden Überlegungen darf der Betriebs- bzw. Werksarzt oder eine Stellungnahme des behandelnden Arztes nicht fehlen. Schließlich kann letztlich nur ein Arzt beurteilen, wie es um die Leistungsfähigkeit des betroffenen Kollegen steht und wie bei einer längeren Arbeitsunfähigkeit ein Wiedereingliederungsplan konkret aussehen kann.
7. Schritt: Effizienzkontrolle nicht vergessen
Wurden mit Ihrem Kollegen bestimmte Maßnahmen im Rahmen eines BEM festgelegt, prüfen Sie spätestens nach 6 Monaten zusammen mit Ihrem Arbeitgeber, ob die Maßnahmen auch die gewünschte Wirkung haben.
Prüfen Sie in diesem Rahmen, ob sich die Arbeitskraft des Kollegen verbessert hat und ob er weniger Krankheitszeiten zu verzeichnen hat. Zeigt sich, dass das BEM nicht zu einer Verbesserung führt, müssen andere Maßnahmen anvisiert werden. Ihrem Kollegen muss aber klar sein, dass, falls das BEM nicht zum Erfolg führt, die Kündigung droht.