Ein Problem, das viele Gleichstellungsbeauftragte in der Praxis beklagen, ist ein möglicher Karriereknick. Viele befürchten, dass sie durch die Freistellung für ihr Amt in ihrem eigentlichen Beruf nicht so vorankommen, wie sie es ohne dieses Amt tun würden. Dabei schreiben die Frauengleichstellungsgesetze in Bund und Ländern ganz klar vor, dass die Gleichstellungsbeauftragte aufgrund ihrer Tätigkeit im Amt und einer etwaigen Freistellung keine Nachteile erleiden darf. Ob diese Ängste trotzdem gerechtfertigt sind und wie Ihre Rechte hier aus meiner Sicht aussehen, erfahren Sie im Folgenden.
Nach einigen Frauengleichstellungsgesetzen in Bund und Ländern dürfen Gleichstellungsbeauftragte im Rahmen ihres Amtes dienstlich nicht beurteilt werden, wenn sie voll freigestellt sind. Andere Gesetze sehen die Möglichkeit einer Beurteilung dann vor, wenn die Gleichstellungsbeauftragten mindestens noch zu 25 Prozent in ihrer eigentlichen Tätigkeit arbeiten.
Das Bundesgleichstellungsgesetz enthält die Regelung, dass Gleichstellungsbeauftragte unabhängig vom Umfang ihrer Freistellung nicht zu beurteilen sind. Dies stellt in der Praxis häufig ein Hindernis dar, da die Gleichstellungsbeauftragten, anders als andere Bewerber*innen, dann auch keine Beurteilung zur Bestenauswahl vorlegen können, wenn sie sich beispielsweise auf eine höherwertige Position oder auch andere Positionen in der Dienststelle bewerben. Die fehlende Beurteilung könnte also ein Grund für einen etwaigen Karriereknick darstellen.
Fiktive Nachzeichnung als Beurteilungssurrogat
Wie vermutlich vielen von Ihnen bekannt ist, muss eine fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs der Gleichstellungsbeauftragten vorgenommen werden, wenn keine Beurteilung erlaubt oder möglich ist. Die fiktive Nachzeichnung ist sozusagen ein Beurteilungssurrogat und wird in den Dienststellen ganz unterschiedlich gehandhabt.
Grundsätzlich muss zum Zweck dieser fiktiven Nachzeichnung immer eine Vergleichsgruppe aus Personen gebildet werden, die einen ähnlichen beruflichen Werdegang haben wie die jeweilige Gleichstellungsbeauftragte. Anhand der beruflichen (Weiter-)Entwicklung dieser Personen wird dann auch die berufliche Entwicklung der Gleichstellungsbeauftragten nachgezeichnet.
Das klingt einfach, stellt sich aber in der Praxis immer wieder als problematisch heraus. Auf diese Problematik soll im Folgenden allerdings nicht näher eingegangen werden. Stattdessen geht es um die im Hinblick auf einen möglichen Karriereknick ebenfalls wichtige Frage, wie es sich verhält, wenn die Gleichstellungsbeauftragte zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird und ihr fachliche Fragen gestellt werden.
Dürfen fachliche Fragen im Vorstellungsgespräch gestellt werden?
In diesem Zusammenhang ist zum einen fraglich, ob Sie als Gleichstellungsbeauftragte fachliche Fragen beantworten müssen bzw. ob diese überhaupt gestellt werden dürfen. Zum anderen stellt sich die Frage, wie mit einem etwaigen fachlichen Defizit der Gleichstellungsbeauftragten umzugehen ist. Aus meiner Sicht kommt hier das in den Frauengleichstellungsgesetzen geregelte Benachteiligungsverbot ins Spiel. Dieses besagt, dass Sie als Gleichstellungsbeauftragte aufgrund Ihres Amtes keine Nachteile in Ihrer beruflichen Entwicklung erleiden dürfen. In der Konsequenz bedeutet das aus meiner Sicht auch, dass Ihnen im Vorstellungsgespräch keine fachlichen Fragen gestellt werden dürfen, da Sie nicht in dem Fachgebiet tätig, sondern freigestellt waren.
Fachliche Fragen und deren Beantwortung dürfen daher nicht in die Beurteilung Ihrer Qualifikation einfließen. Denknotwendig folgt hieraus auch, dass Sie Fachfragen nicht beantworten müssen. Vielmehr muss in einer solchen Bewerbungssituation aus meiner Sicht auch in Bezug auf die fachlichen Fragen, denen sich andere Bewerber*innen stellen müssen, für Sie eine entsprechende Nachzeichnung erfolgen. Das heißt, hier muss schlicht und ergreifend mit Unterstellungen und Prognosen gearbeitet werden.
Die Nichtbeantwortung der Fragen oder die etwaigen Defizite in Bezug auf fachliche Kenntnisse dürfen bei der vergleichenden Bewertung nicht einfließen. Vielmehr sind die Entscheider*innen gehalten, hier einzuschätzen, wie die Gleichstellungsbeauftragte mit diesen fachlichen Fragen umgegangen wäre, wäre sie nicht freigestellt, sondern in dem jeweiligen Fachbereich tätig gewesen.
Mein Tipp: Weisen Sie im Bewerbungsgespräch ggf. auf die Nachzeichnungspflicht hin
Geraten Sie in einem Vorstellungsgespräch in die Situation, dass Ihnen fachliche Fragen gestellt werden, sollten Sie darauf hinweisen, dass Sie aufgrund Ihres Amtes nicht verpflichtet sind, diese Fragen zu beantworten und die Antworten auch nicht in die vergleichende Bewertung einfließen dürfen.
Begründen Sie dies mit dem Benachteiligungsverbot, das in allen Frauengleichstellungsgesetzen im Bund und in den Ländern geregelt ist, und weisen Sie auch darauf hin, dass Ihre fachlichen Qualifikationen in Bezug auf die Stelle entsprechend nachzuzeichnen sind.
Autorin: Inge Horstkötter