Gleichstellung im Blick 30.06.2025

Emily Warren Roebling: Die Frau hinter der Brooklyn Bridge

Persönlichkeit des Monats – Juli 2025

Lebenslauf

Datum/JahrEreignis
23.09.1843Geboren in Cold Spring, New York
1860erStudium an der Georgetown Visitation Academy in Washington D. C.
1865Hochzeit mit Washington Roebling
1865–1868Gemeinsame Studienreise des Ehepaares nach Europa
1867Geburt ihres Sohnes John Augustus II.
1869Tod ihres Schwiegervaters,
Beginn des Baus der Brooklyn Bridge
1872Erkrankung ihres Ehemannes (Taucherkrankheit)
1883Eröffnung der Brooklyn Bridge
1896Europareise auf Einladung von Queen Victoria
1899Jura-Abschluss an der New York University
28.02.1903Gestorben in Trenton

Die Brooklyn Bridge ist eines der berühmtesten Wahrzeichens New Yorks. Entworfen wurde sie von dem deutschen Einwanderer und Ingenieur John Augustus Roebling; doch ohne seine Schwiegertochter Emily Warren wäre der Bau der damals längsten Hängebrücke der Welt wohl nicht auf die geplante Weise vollendet worden. „Ich glaube nicht, dass die Brooklyn Bridge ohne sie stehen würde“, ist sich Erica Wagner, Literaturkritikerin und Autorin einer Biografie über John A. Roebling, sicher.

Zweitjüngstes von zwölf Kindern

Emily Warren wurde am 23. September 1843 in Cold Spring, einem Village in der Nähe von New York, geboren und wuchs mit elf Geschwistern auf. Sie war das zweitjüngste Kind der Familie, die zwar mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, aber in dem kleinen Ort Cold Spring sehr angesehen war.

Emily Warren erhielt eine gute Bildung. In den 1860er-Jahren war sie eine der wenigen Frauen, die an der Georgetown Visitation Academy in Washington D. C. studierten. Sie belegte die Fächer Geschichte, Astronomie, Algebra sowie Handarbeit und Hauswirtschaft.

Europareise mit ihrem Mann Washington Roebling

1864 besuchte sie ihren Bruder, den Gouverneur Kemble Warren, in seinem Feldlager. Bei einem Offiziersball lernte sie den Offizier Washington Augustus Roebling kennen; die beiden verliebten sich und heirateten ein Jahr später. Emily Warren fügte den Nachnamen ihres Mannes an ihren Geburtsnamen an und trug nun den Doppelnamen Warren Roebling.

Kurz nach der Hochzeit reiste das junge Ehepaar auf Geheiß von Washingtons Vater nach Europa. Der Ingenieur John Augustus Roebling war zu jener Zeit mit den Planungen für eine Stahlseil-Hängebrücke beschäftigt, die in New York den East River überspannen und so die Stadtteile Manhattan und Brooklyn miteinander verbinden sollte. Sein Sohn Washington sollte in Europa für ihn technische Fragen bezüglich des Baus klären.

Tod des Schwiegervaters

Während der rund drei Jahre dauernden Reise wurde im November 1867 der gemeinsame Sohn John Augustus II. geboren. Er kam im thüringischen Mühlhausen zur Welt; diese Stadt ist auch der Geburtsort seines berühmten Großvaters.

1868 kehrte die junge Familie in die Vereinigten Staaten zurück. Noch bevor der Bau der Brooklyn Bridge ein Jahr später begann, starb Emily Warrens Schwiegervater. Er hatte sich bei Vermessungsarbeiten für einen Brückenpfeiler verletzt und sich eine Tetanusinfektion zugezogen, an deren Folgen er sechzehn Tage später verstarb.

Ehmann erkrankt an Taucherkrankheit

Nun lag es an seinem Sohn Washington Roebling, die Brooklyn Bridge zu bauen. Emily Warren Roebling unterstützte ihren Mann als Sekretärin, schaute ihm über die Schulter und tauschte sich regelmäßig mit ihm über die Planungen und den Bau aus. Ihr Mann beschrieb sie als „Frau von unendlichem Taktgefühl mit den klügsten Ratschlägen“.

Washington Roebling war jedoch nicht nur beaufsichtigender Bauleiter, sondern arbeitete auf der Baustelle auch tatkräftig mit. Um die Brückenpfeiler im Fluss zu errichten, wurden „Caissons“, riesige Senkkästen aus Stahl, im East River versenkt. Damit kein Wasser eindrang, herrschte in ihnen Überdruck. Etliche Arbeiter zogen sich bei den Arbeiten die sogenannte Taucherkrankheit zu, auch Washington Roebling erkrankte 1872.

Im Selbststudium zur Bauleiterin

Fortan konnte Washington Roebling die Rolle des Bauleiters nicht mehr ausführen, seine Frau übernahm diese Aufgabe nun und kümmerte sich parallel um die Pflege ihres kranken Mannes. Anfangs gab sie noch seine Anweisungen vom Krankenbett an die Arbeiter auf der Baustelle weiter, mit der Zeit wurde sie dann aber zur selbstständigen Bauleiterin. Im Selbststudium brachte sich Emily Warren Roebling die nötigen Fertigkeiten in Mathematik, Materialkunde und Ingenieurstechnik bei.

Da ihr Mann die Nähe der Baustelle nicht ertrug, zog die Familie 1874 vorrübergehend von New York nach Trenton. Erst als die Stahlseile gespannt und eingebracht werden sollten, kehrte das Paar mit ihrem Sohn 1876 nach New York zurück.

„Mehr Verstand als zwei beliebige Ingenieure“

Elf Jahre lang beaufsichtigte Emily Warren Roebling den Bau der Brooklyn Bridge und musste sich vor allem anfangs immer wieder behaupten. Die Anweisungen ihres Mannes an die Assistenzingenieure weiterzugeben und dem Konsortium aus Investoren Rede und Antwort zu stehen sowie auch selbst Entscheidungen zu treffen und zu verteidigen, war für sie nicht immer leicht, zumal ihr Wissen aufgrund ihres Geschlechts in Zweifel gezogen wurde.

„Ich habe mehr Verstand, gesunden Menschenverstand und allgemeine Sachkenntnis als zwei beliebige Ingenieure – egal, ob sie sich Zivilingenieure nennen oder sich wenigstens zivilisiert verhalten. Und ohne mich wäre die Brooklyn Bridge niemals mit dem Namen Roebling verknüpft worden“, schrieb Emily Warren Roebling später rückblickend in einem Brief an ihren Sohn.

Überquerung an der Seite des US-Präsidenten

Am 24. Mai 1883 wurde die Brooklyn Bridge schließlich feierlich eröffnet. Emily Warren Roebling war eine der Ersten, die die Brücke überquerte – neben dem damaligen US-Präsidenten Chester A. Arthur. Dies zeigt, wie bedeutend ihre Rolle beim Bau der Brücke war und welche Anerkennung ihr dafür entgegengebracht wurde.

Einige Zirkuselefanten folgten der Bauleiterin und dem Präsidenten. Die tonnenschweren Tiere sollten beweisen, dass die Brücke stabil und tragfähig war. In seiner Eröffnungsrede stellte der Abgeordnete Abram S. Hewitt die Leistungen von Emily Warren Roebling besonders heraus: „Der Name Emily Warren Roebling wird untrennbar mit alledem verbunden sein, was in der menschlichen Natur und in der Welt der konstruktiven Kunst bewundernswert ist.“

Auch eine Plakette, die noch heute an der Brücke angebracht ist, erinnert an die Bauleiterin: „Hinter jedem großartigen Werk können wir die selbstaufopfernde Hingabe einer Frau finden“, steht dort geschrieben.

Engagement in der Frauenbewegung

Nach Fertigstellung der Brooklyn Bridge engagierte sich Emily Warren Roebling in der Frauenbewegung, in verschiedenen Vereinen und Clubs. Sie war eine gefragte Rednerin und unternahm unter anderem eine Vortragsreise durch die gesamte USA.

Sie reiste auf Einladung von Queen Victoria 1896 erneut nach Europa, 1894 hatte sie bereits an der Krönung des Zaren Nikolaus II. teilgenommen. Während der Spanisch-Amerikanischen Krieges im Jahr 1898 arbeitete sie als Krankenschwester und Bauleiterin im „Camp von Montauk“ auf Long Island, in dem die rückkehrenden Soldaten versorgt wurden.

Jura-Abschlussarbeit zum Thema Gleichberechtigung

1899 erwarb Emily Warren Roebling an der New York University einen Abschluss in Jura. In ihrer Abschlussarbeit mit dem Titel „A Wife’s Disabilities“ thematisierte sie die Gleichberechtigung der Geschlechter und kritisierte die fehlenden Rechte von Ehefrauen und Witwen.

Am 28. Februar 1903 starb Emily Warren Roebling in Trenton an den Folgen einer Herzmuskelschwäche. Ihr Mann überlebte sie um gute zwanzig Jahre. In seinen privaten Aufzeichnungen fand sich zur Zeit ihres Todes ein Gedicht von Mark Twain. Es endet mit der Zeile „Good night, dear heart, good night, good night.“